Wilhelm Hoffer - Biografie: Katharina Seifert

Willi Hoffer wurde als Sohn des jüdischen Kaufmanns Leopold Hoffer in Luditz, einer kleinen Stadt in der Nähe von Karlsbad, geboren. Er war das einzige Kind seiner Eltern. Ins Geburtsregister war in der Eile tatsächlich „Willi“ eingetragen worden, obwohl er nach seinem gerade verstorbenen Großvater Wilhelm genannt werden sollte.
Die Schule besuchte er ab seinem 11. Lebensjahr fern von den Eltern in Pilsen, wo er bald der Leiter einer Jugendgruppe wurde.

Während des Ersten Weltkriegs leistete er seinen Militärdienst in Italien, nach Kriegsende ging er nach Wien und studierte zunächst Veterinärmedizin, dann Biologie und Psychologie. Davor studierte er an der Universität Heidelberg, wo er auch seine erste Frau kennenlernte, die er 1921 in Berlin heiratete, von der er aber bereits 1926 wieder geschieden wurde. Er promovierte 1922 an der Universität Wien bei Wilhelm Jerusalem mit der Dissertation „Über die wissenschaftlichen Grundlagen der Pädagogik.“ Aktiv in der zionistischen Jugendbewegung, wo er Siegfried Bernfeld kennen lernte, war es zunächst seine Absicht, als Lehrer nach Palästina auszuwandern.
Bereits 1919 begann seine Arbeit mit Kindern im Kinderheim Baumgarten, einem von Siegfried Bernfeld errichteten Kinderheim für jüdische Kriegswaisen. Hoffer übernahm, zusammen mit seinem Freund Gerhard Fuchs, vorübergehend die Leitung des Kinderheims Baumgarten, während Bernfeld erkrankt war. Auch sein Interesse für die Psychoanalyse entstand im Kontakt mit Bernfeld.
Hoffer berichtete über eine erste, enttäuschende Lektüre von Freuds „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ und antwortete auf die Frage, was ihn dann dennoch überzeugt habe:
„What made it catch? Well, as soon as I returned after the war and came to Vienna, I fell under Bernfeld’s influence – Bernfeld’s immense impressive teaching. […] Then, living together with girls and women with the same ideas, it changes, you know in combat – in outlook, in the freedom one felt one can really have. We had been very restricted, enormously” (OHC, 10).
1921 begann er, auf Vermittlung und mit finanzieller Unterstützung Bernfelds, seine Analyse bei Hermann Nunberg.

Nach der Beendigung der Analyse eröffnete er eine Praxis als Heilpädagoge und spezialisierte sich auf die Behandlung Jugendlicher. In den 20er Jahren studierte er noch zusätzlich Medizin und promovierte 1929.
[…] „it was primarily in the upbringing and re-education of defective children. […] Technically, the children never lay on the couch – the adolescents, much later. The interview was personal, face to face. Sometimes even Aichhorn did it ambulatory, walking about, in parks and so on” (OHC, 42f).

Auf die Frage, was das Ziel seiner Arbeit war, berichtete Hoffer:
„Adjustment to the demands and expectations of the environment, without suppression. […] I could also say, you know, to help the children to adjust itself in such a way that it does not become any more the victim of persecution because it is ill. To help him to get away from the impact of it, in his own environment “ (OHC, 41f).

1923 wurde Willi Hoffer ordentliches Mitglied der WPV.
1927 hielt er mit Aichhorn und Hedwig Schaxel, seiner späteren Frau, Kurse für Lehrer, Fürsorger und Kindergärtnerinnen.
Nach dem Abschluß seines Medizinstudium arbeitete er unter Otto Pötzl, dem Nachfolger Wagner-Jaureggs, an der Psychiatrischen Universitätsklinik.
1933 heiratete er in zweiter Ehe die Psychoanalytikerin Hedwig Schaxel.

Hoffer war mit Anna Freud, Aichhorn und Bernfeld eng befreundet:
“We three, and Bernfeld – always we had a kind of clique, with an understanding of the importance of psychoanalysis for education and remedial education, as we called it at that time. That means therapy for children” (OHC, 13). “I maintained my independence by being closely associated to Bernfeld, and knowing that I was in a circle of the most attractive, from the point of view of intellect and object interest, attractive people with Bernfeld, Aichhorn and Anna Freud. I knew it. We worked together. We were interested to do something, to achieve something, something new, in the field of psychoanalytic education” (OHC, 32).
“I can say that until 1947, from 1923 on, I was more or less unreservedly concerned to support, at first Anna Freud, Bernfeld and Aichhorn, in translating their ideas, in helping their ideas to be put into action” (OHC, 79).

Von 1932 bis 1938 arbeitete Hoffer mit Aichhorn, im Rahmen der Erziehungsberatungsstelle und in der Pädagogenausbildung der WPV („Psychoanalytische Pädagogik“). Zu dieser Zeit war er Analytiker von Aichhorns jüngerem Sohn Walter. (Aichhorn 2004).
Ab 1934 war er Schriftleiter der „Zeitschrift für Psychoanalytische Pädagogik“.
1938 flüchteten Willi Hoffer und seine Frau Hedwig Hoffer-Schaxel nach London. Sie wurden als Mitglieder von der British Psychoanalytical Society aufgenommen und als Lehranalytiker anerkannt.
Hoffer war eines der aktivsten Mitglieder der Wiener Gruppe in den kontroversiellen Debatten mit der Gruppe um Melanie Klein. Nach der Aussöhnung der beiden Gruppen gehörte er mit Anna Freud dem Komitee an, das die beiden parallelen Ausbildungskurse in der British Psychoanalytical Society begründete. Er war aufgrund seiner offenen und warmen Persönlichkeit allgemein sehr beliebt.
An der von Anna Freud geleiteten Hampstead Clinic war er Psychiater, engster Berater und Vertrauter Anna Freuds und im dortigen Ausbildungskomitee tätig. Die Kinderbeobachtung und die Entwicklung von Kleinkindern waren sein spezielles Interesse. Anna Freud schätzte an ihm seine außerordentliche, und wie sei meinte, unter Analytikern seltene Fähigkeit, die Rekonstruktionen aus den Analysen Erwachsener harmonisch mit den im direkten Kontakt mit Kindern gewonnen Beobachtungen zu einer wahren „psychoanalytic study of the child“ zu kombinieren. (A. Freud 1967).
Ab 1955 arbeitete Hoffer als Psychiater im Bethlem Royal und im Maudsley Hospital, London. 1957 wurde er Ehren-Vizepräsident der IPV, 1959 Präsident der British Psychoanalytical Society.
Von 1947 bis 1948 war er gemeinsam mit John Rickman and Clifford Scott Mitherausgeber des „International Journal of Psycho-Analysis“ und von 1949 bis 1959 dessen alleiniger Herausgeber. Von Anfang an (1945) war er auch Mitherausgeber der „Psychoanalytic Study of the Child“.
Willi Hoffer gehörte zu den Psychoanalytikern, die nach 1945 das Wiederaufleben der Psychoanalyse in Deutschland und Österreich tatkräftig förderten. Er unterstützte die Gründung des Sigmund Freud Instituts in Frankfurt/Main und war 1958 bei der 50 Jahr-Feier der WPV der einzige emigrierte Psychoanalytiker, der daran teilnahm.
1966 hielt er die Sigmund Freud Anniversary Vorlesungen am New York Psychoanalytic Institute.
Willi Hoffer starb am 25. Oktober 1967 in London.

Text: Katharina Seifert, 2010
Redaktion: Christian Huber,9.6.2010