Thomas Aichhorn (2022): Zur Auflösung des Internationalen Psychoanalytischen Verlags

Zur Auflösung des Internationalen Psychoanalytischen Verlags. [1]

Der Sitz des „Internationalen Psychoanalytischen Verlags“ war Wien I., Börsegasse 11., ab 1936 Wien IX. Berggasse 7.

Die Gründung eines eigenen Verlags für die Psychoanalyse war durch eine Stiftung Antal (Anton) Freunds von Tószeghi ermöglicht worden. Die finanzielle Zukunft des Verlags war aber von Anfang an ungesichert, da von Freunds Stiftungsgeld aufgrund von Finanzdifferenzen zwischen Österreich und Ungarn nur teilweise und über Umwege nach Wien gebracht werden konnte. Otto Rank hatte bereits im Jänner 1919 um die Verlagskonzession eingereicht, eingetragen ins Wiener Handelregister wurde der Verlag – unter der Bezeichnung „Internationaler Psychoanalytischer Verlag“ – aber erst 1921.

Als Gesellschafter waren Ferenczi, Freud, Anton von Freund und Rank am Verlag beteiligt, als Geschäftsführer fungierte Rank. Außer ihm arbeiteten Anna Freud, Ranks Frau Beate und Theodor Reik (bis zum Mai 21) im Verlag mit; ab Februar 1921 auch Adolf J. Storfer.

Vorgeschichte:

Martin Freud an Max Eitingon (Jerusalem), 19. 12. 1935[2]: „Ihr Institut hat erfreulicher Weise bei uns bestellt. Das Weihnachtsgeschäft verläuft nicht durchaus schlecht, insbesondere der Verkauf des Almanachs geht besser wie voriges Jahr. Sie werden wahrscheinlich schon gehört haben, dass zu Beginn des kommenden Jahres die ganze Wiener Psychoanalyse zusammensiedelt, Verlag, Ambulatorium und Vereinigung werden zusammen ein Stockwerk im Hause Berggasse 7 mieten. Dieser Plan besteht schon seit wenigen Wochen, gestern habe ich mich nun mit dem Hausherrn prinzipiell über den Zins geeinigt und morgen wird wahrscheinlich der Mietvertrag unterzeichnet werden. Für den Verlag bedeutet das neue Projekt eine recht namhafte Ersparung an Zins und Regien, wir werden uns aber gleichzeitig entschliessen müssen, das Bücherlager radikal zu verkleinern. Ich werde dies nicht ohne Mitwirkung des Verlagskomitees tun und selbstverständlich alle Institutionen aus diesem Anlass Gelegenheit geben, Bestände, die wir nicht weiter führen wollen, billig zu erwerben; verramschen werde ich nichts, ich habe diesbezüglich mit den Storfer’schen Ramschverkäufen viel zu schlechte Erfahrungen gemacht.“

Martin Freud[3]: Rundschreiben an alle Mitglieder des Verlags-Komitees, Wien, 30. März 1936[4]

„Der Verlag ist von einer schweren Katastrophe bedroht, die die sofortige Hilfe aller Verlags-Komitee-Mitglieder notwendig macht. Ende vergangener Woche ist eine Verständigung unseres Leipziger Kommissionärs, der Fa. F. VOLKMAR, eingelangt, wonach ein Teil unseres Leipziger Bücherlagers beschlagnahmt wurde. Ich habe telefonisch in Leipzig angerufen und auf Grund der erhaltenen Information sofort einen Beamten nach Leipzig beordert. Dieser Beamte berichtete mir nun telefonisch und schriftlich, dass das gesamte Bücherlager des Verlags in Leipzig beschlagnahmt wurde und dass die Reichsschrifttumskammer in Berlin dem Polizeipräsidium in Leipzig die Weisung gegeben hätte, den ganzen Büchervorrat zu vernichten.

In dieser Sache habe ich bisher Folgendes veranlasst: ich habe dringende Telegramme an Prinzessin Bonaparte und Dr. Laforgue geschickt, Herrn Dr. Jones habe ich telefonisch in London angerufen und auf Grund meiner Verständigung hat er an das Leipziger Polizei-Präsidium ein Cabel gesendet, in dem er um Aufschub der Angelegenheit bis zur Erörterung auf diplomatischem Weg bittet. Ich werde im Einvernehmen mit Frau Brunswick versuchen, eine ähnliche Aktion von amerikanischer Seite aus zu veranlassen. Ich bemühe mich ferner, hier die österreichischen Behörden für die Angelegenheit zu interessieren, doch ist grade in Österreich mit Rücksicht auf die Kompetenzschwierigkeiten und den langsamen Gang der bürokratischen Maschine am wenigsten mit baldigem Eingreifen zu rechnen.

In Wien anwesend sind die beiden Mitglieder des Verlags-Komitees Dr. E. B. Jackson und Herr Dr. René Spitz, die beide sofort von der Angelegenheit informiert wurden und mit wertvollen Ratschlägen zur Verfügung standen.

Ich behaupte, Dr. Jones teilt diese Ansicht vollkommen, dass das Bücherlager des Internationalen Psychoanalytischen Verlages durch die Verlagsaktion zu mindest zum grossen Teil Eigentum der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung geworden ist. Wenn die Deutschen also diese Bücher widerrechtlich vernichten, so schädigen sie nicht so sehr österreichisches Eigentum, (Österreich ist bei der Verteidigung seiner Rechte Deutschland gegenüber in besonders schwacher Position) sondern amerikanisches, englisches, französisches, holländisches und Schweizer Eigentum, u. s. w. Je mehr ausländische Personen gegen diese Aktion protestieren, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschen davon im letzten Moment ablassen; wenn es gelingt, ausländische auswärtige Ämter in dieser Sache in Bewegung zu setzten (Dr. Jones wird versuchen das Foreign Office zu interessieren) desto sicherer ist der Erfolg.

Ich bitte hiemit Herrn Dr. Sarasin, zu versuchen, ob die Schweizer Behörden in dieser Sache irgendeine Verständigung an das Polizei-Präsidium Leipzig schicken wollen.

Das in Leipzig beschlagnahmte Lager umfasst ca. 100.000 Bücher, darunter leider auch grössere Bestände der ungemein wichtigen Gesamtausgabe, (diese ist besonders kostspielig). Ein Teil des Bücherlagers ist im Jahre 1933 aus Sicherheitsgründen in die Schweiz gebracht worden, ein weiterer Teil der Vorräte befindet sich in Wien. Das Bücherlager umfasst eine grosse Reihe von Werken, die kommissionsweise vom Verlag hergestellt wurden und deren Eigentum nicht dem Verlag zusteht, sondern den einzelnen Autoren, wie: Frau Prinzessin Bonaparte, Herr Dr. Laforgue, Dr. Bergler, Frau Lowtzky, Herr Dr. Reik, u. a.

Besonders empfindlich wird der Verlag dadurch betroffen, dass die Einnahmen aus den Abonnements der beiden Zeitschriften für das Jahr 1936 wegen Überweisungsschwierigkeiten noch beim Kommissionär auf Konto standen und dass diese Gelder, mit deren Eingang der Verlag im Laufe der vergangenen Woche gerechnet hatte, wahrscheinlich jetzt überhaupt nicht mehr verfügbar sind. Der Verlag hatte nämlich Schulden an den Kommissionär und dieser muss sich bei der Auflösung des Verhältnisses für seine Schulden bezahlt machen. Der Kommissionär hat von der Behörde den Auftrag erhalten, das Kommissionsverhältnis zu kündigen und hat dies auch bereits getan. Das Verkaufsgeschäft, das das ganze Jahr über recht mässig gegangen war, hatte grade in den letzten drei Wochen einen Aufschwung genommen (heute allein sind zwei Gesamtausgaben gekauft worden, eine von Amsterdam, eine von London aus), gewiss im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Geburtstag[5], der ein erhöhtes Interesse an Freud und seinem Werk zur Folge hat. Wie gross das Interesse m Ausland ist, geht auch dadurch hervor, dass es mir gelungen ist, innerhalb von zwei Wochen die Übersetzungsrechte an der ‚Selbstdarstellung‘ für drei Länder zu verkaufen, nämlich für Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei.

Ich will die Entwicklung abwarten, die die Angelegenheit nimmt und hoffe noch immer, dass es gelingen wird, die Bücher zu retten. Das Geschäft mit Deutschland halte ich für unrettbar verloren, es steht dem Verlag also erstens eine sofortige Einbusse an flüssigen Mitteln bevor, zweitens eine dauernde Verringerung seines Bücherabsatzes. Genau Statistiken haben ergeben, dass der Absatz nach Deutschland längst nicht mehr – wie in den Jahren vor 1933 – die Hälfte des Gesamtabsatzes beträgt, sondern dass Deutschlands Anteil auf en Viertel oder Fünftel des Gesamtabsatzes herabgesunken ist. Irgendwelche Hilfsaktionen kann und will ich nur im Einvernehmen mit dem Verlagskomitee durchführen und werde in einer Woche bekannt geben, welche Mittel zur sofortigen Hilfe benötigt werden. Trotz der Größe der Katastrophe wird vorläufig mit verhältnismässig geringen Beträgen (1500 bis 2000 Dollar) die finanzielle Situation bis zum nächsten Kongress zu retten sein.

Mit vorzüglicher

Hochachtung

Dr. Martin Freud

Martin Freud an Ernest Jones (14. 4. 1936)[6]:

„Am Karsamstag Vormittag ist mein Beamter aus Berlin und Leipzig zurückgekommen. Er hat schließlich gar nichts ausgerichtet. Außer uns sind noch zwei österreichische Verleger von der Beschlagnahme betroffen, wodurch sich mein Eindruck verstärkt, dass es sich nicht um einen Schlag gegen die Psychoanalyse, sondern um einen Gewaltakt gegen Österreich handelt. Wenn die letzten Informationen, die mein Beamter mitgebracht hat, richtig sind, so ist außer den Büchern, die ich Ihnen seinerzeit gemeldet habe, nur noch die Gesamtausgabe der Freudschen Schriften beschlagnahmt. Es wären also die Bücher der meisten übrigen Autoren frei, was aus dem Gunde wichtig ist, weil man die diplomatische Aktion dann, - wie ich von vorneherein beabsichtigte – nur auf die Verlagsaktion der I. P. V. stützen kann und nicht darauf, dass einzelne Bücher Eigentum von Ausländern sind, wie etwa die Bücher der Prinzessin, von Frau Melanie Klein, von Laforgue, u. s. w. Weiter wird der Verlag angeblich das Recht haben, trotz der Beschlagnahme Privatkunden in Deutschland weiter zu beliefern, was vor allem aus dem Grunde für uns wichtig ist, weil wir dann die Deutsche Gruppe (ehemalige Deutsche Gruppe?) weiter mit den zwei offiziellen Zeitschriften beliefern können. Alle Sachverständigen in deutschen Buchbeschlagnahm-Affären sind einstimmig der Ansicht, dass, wenn das Foreign Office wirklich in dieser Sache etwas unternimmt, es zu keiner Vernichtung kommen kann und wird. Ich kann von hier aus in der Sache jetzt nichts tun als abwarten. Im übrigen sind wir mitten im Umzug und durch natürlich stark in jeder Arbeit gehindert.“ 

Martin Freud an Max Eitingon, 5. 6. 1937[7]:

Lieber Dr. Eitingon!

Ich bestätige Ihre werten Zeilen vom 21. d. M. und muss Ihnen insoferne Recht geben, als der Brief, über den Sie sich beklagen, ziemlich komisch klingt. Sie kennen unsere alte Buchhalterin Frau Steiner, derzeit neben Pauli das älteste Verlagsmöbel. Neben grosser Treue und Anhänglichkeit hat sie die Eigenschaft, ausschliesslich komische Briefe zu diktieren, weswegen sie auch gar nicht mehr mit Korrespondenz befasst wird, und neben Buchhaltungsarbeiten nur mehr Mahnbriefe zu diktieren hat, die meistens nach einem bestimmten Schimmel gehen. Ich war, als ich den Brief unterschrieb, im Sanatorium nach einer ziemlich unangenehmen Rachenmandel-Operation und habe tatsächlich nur den Konto-Auszug angesehen, den Mahntext aber nicht gelesen, sonst hätte ich die Geschichte mit dem merkwürdigen letzten Satz bestimmt nicht durchgehen lassen. Ihre Beschwerde wird mich in Zukunft veranlassen, auch Mahnbriefe, die ich unterschriebe, genau zu lesen.

Um auf das Martium der Angelegenheit zurückzukommen, bitte ich Sie nochmals, Ihr Möglichstes zu tun, dass der Verlag wenigstens einen Teil dieser alten Schuld in absehbarer Zeit erhält. Ich habe mich vor dem Jahre 1937 schon seit langem gefürchtet, aber es wird scheinbar, was unsere finanzielle Lage betrifft, noch ärger, als ich gedacht hatte.

Mit allerbesten Empfehlungen, Ihr in Wertschätzung ergebener Dr. Martin Freud

Und wenig später schrieb Martin Freud an Max Eitingon (Brief vom 10. 7. 1936[8]):

„Zum Schluss noch eine angenehme Mitteilung: Ich erfahre soeben aus Leipzig, dass die Bücher des Verlages zur Wiederausfuhr nach Österreich und zur Lieferung in die ausserdeutschen Länder freigegeben wurden. Selbstverständlich habe ich sofort damit begonnen, die wertvollsten Bestände aus Deutschland herauszuziehen.“

Es ist damals vorerst gelungen, wertvolle Bestände aus dem Deutschen Reich herauszubekommen.

Zur Auflösung des Verlags:

Der ausschlaggebende Grund, warum sich Freuds Ausreise aus Wien immer wieder verzögerte, waren die komplizierten Verhandlungen, die um das weitere Schicksal des Internationalen Psychoanalytischen Verlags geführt werden mussten. Die offizielle Politik der Nationalsozialisten der jüdischen Bevölkerung gegenüber war zu dieser Zeit (noch) nicht durch physische Vernichtung sondern durch Vertreibung und Raub gekennzeichnet. Die Schulden des Verlags boten den Nationalsozialisten die Möglichkeit, sich des Vermögens der Familie Freud – über die gewöhnlich vorgesehenen Zahlungen hinaus – zu bemächtigen. 

Geschäftsführer des Verlags war seit 1931 Martin Freud. Während der Zeit, in der er als Geschäftsführer fungierte, hatten Anna und Sigmund Freud nach und nach alle Gesellschaftsanteile übernommen, wobei 1938 Anna Freud die Mehrheit am Verlag besaß, Sigmund Freud den weitaus geringeren Anteil.

In einem Bericht an den Wiener Gauleiter vom 28. März 1938 hatte Anton Sauerwald, der mit der Auflösung des Verlags beauftragt worden war, ausgeführt: 

„Was den ‚Internationalen Psychoanalytischen Verlag’ betrifft so ergibt sich folgendes Bild: Der Internationale Psychoanalytische Verlag ist eine Gesellschaft m.b.H. Die Gesellschaftsanteile liegen in Händen von Mitgliedern der Familie Prof. Dr. Sigm. F r e u d. Die Inhaber haben sich mündlich bereit erklärt, auf diese Anteile, nach Regelung ihrer Ansprüche, zu Gunsten von Mitgliedern des ‚Deutschen Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie’ zu verzichten. Der Verlag verfügt über einen wohlorganisierten Betrieb und ein wissenschaftliches Bücherlager von beträchtlichem Werte. Der grösste Teil der Verlagswerke ist allerdings in Deutschland für den freien Buchhandel nicht zugelassen und darf nur an Privatinteressenten für wissenschaftliche Zwecke abgesetzt werden. Die Bücher und Zeitschriften finden jedoch ziemlich grossen Absatz im Auslande und waren dadurch Devisenbringer. Es besteht die Absicht, den Verlag in seiner bisherigen Form zu liquidieren, die restlichen Bücher und Zeitschriftenbestände an ausländische Interessenten abzusetzen und mit dem verbleibenden Kapital die Umwandlung des Verlags in ein deutsches Unternehmen in die Wege zu leiten. Es sei ausdrücklich festgestellt, dass gegen die Schriften keinerlei Bedenken politischer Natur bestehen, da es sich ausnahmslos um Veröffentlichungen handelt, die der Theorie und Praxis der psychoanalytischen Forschung und Heilweise dienen. Das Hauptbedenken liegt vielmehr darin, dass die Verlagwerke zum überwiegenden Teile von jüdischen Autoren stammen, die für Deutschland kulturell nicht tragbar sind.“ [9]

Zunächst war versucht worden, den drohenden Konkurs des verschuldeten Verlags durch die Verwertung der Verlagswerte (Buch- und Zeitschriftenbestände, Verlags- und Übersetzungsrechte) abzuwenden. Sigmund, Anna und Martin Freud waren damit einverstanden, auf ihre Rechte zu verzichten und ihre Anteile auf zwei Mitglieder des „Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie“ zu übertragen.       Jones versuchte, dabei behilflich zu sein, die Außenstände zu bekommen. In diesem Sinne schrieb er an Eitingon. Er riet ihm, seine privaten Schulden an den Verlag zu begleichen, um mit einer Zahlung in ausländischer Währung die Behörden Martin Freud gegenüber günstig zu stimmen. Andererseits wollte er herausfinden, ob es möglich sei, eine größere Anzahl von Büchern zu bestellen. Sie würden dadurch nicht vernichtet werden und ihre Bezahlung könnte mit Hilfe der enormen Schulden, die der Verlag bei der Internationalen Vereinigung hatte, erfolgen. Außerdem hätten er und, wie er annahm, auch Eitingon dem Verlag ein Darlehen gegeben, das in Rechnung gestellt werden könnte. Dass der Verlag, der hoffnungslos verschuldet war, weitergeführt werden könnte, nahm Jones nicht an. Es wäre das Günstigste, meinte er, wenn es gelänge, die Bücher des Verlags zu bekommen und sie z. B. über den Verlag Querido[10] in Holland weiter zu verkaufen. Natürlich sollte aber alles getan werden, um die Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse zu erhalten, die im Notfall zusammen mit dem International Journal dreisprachig hergegeben werden sollte.[11]

Jones forderte auch Psychoanalytiker in anderen Ländern auf, möglichst viel psychoanalytische Literatur zu kaufen. So schrieb etwa Alice Bálint am 27. Mai 1938 aus Budapest an Eitingon: „Ich danke Ihnen für Ihre Nachrichten, leider wussten wir bereits sowohl von der Verzögerung der Abreise [Freuds und seiner Familie], wie auch den Schwierigkeiten des Verlags. Wir bekamen aus London den Auftrag, alles was an Ps.a. Literatur in Budapest zu haben ist aufzukaufen. Wir haben auch den Gedanken gehabt, bei dem Verlag möglichst grosse Bestellungen zu machen, erhielten aber in höflicher Form die Antwort alles sei polizeilich gesperrt unser Guthaben bliebe zu Recht bestehen, aber Bücher könnten sie uns zur Zeit nicht schicken.“[12] 

Auch Eitingon entwickelte Pläne, wie die Bestände des Verlags gerettet werden könnten. Am 23. Mai 1938 schrieb er an Marie Bonaparte: 

„Jones hat mir inzwischen einige weitere Details über den Verlag mitgeteilt. Nun gibt es natürlich keine Möglichkeit mehr, die Ansprüche der Gläubiger des Verlages geltend zu machen, und es wird sehr sehr schwer sein, die wichtigsten Dinge neu zu drucken, vor allem unsre Zeitschriften. Und so bin ich auf den Gedanken gekommen, ob es nicht vielleicht jüdischen Händen bessert gelingen könnte, die analytischen Dinge zu erwerben, weil die Nationalsozialisten ja unser verseuchtes Volk vor dieser Pest nicht mehr zu schützen haben. Und da die Nationalsozialisten nicht nur große Ideale verkünden, sondern auch nicht nur große, sondern auch kleine Geschäfte zu machen bereit sind, so könnte es doch vielleicht gehen. Ich bin deshalb auf den Gedanken gekommen, einen großen Juden, den wir hier im Lande haben, den Herrn S. Schocken, der der Inhaber eines jüdischen Verlages in Deutschland ist und der sich gegenwärtig in Amsterdam befindet, auf diese Sache aufmerksam zu machen.[13] Ich habe ihm auch von Ihren Versuchen geschrieben und, bitte, wundern Sie sich nicht, wenn er auf die Idee käme, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.“[14]

Das Angebot Marie Bonapartes, die Verlagsbestände zu kaufen, hatte sich als undurchführbar erwiesen. Sauerwald hatte den Verkauf zwar genehmigt, aber das SD-Hauptamt in Berlin und die Gestapo Wien lehnten diesen Plan strikt ab (vgl. Hall 2004, S. 22). 

An den Anordnungen Ehlichs und Ramms scheiterten schließlich alle Versuche, den Verlag der DPG zu überlassen oder wenigstens die Buchbestände zu retten. Bereits Ende April 1938, der Termin lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren, hatte unter dem Vorsitz Ramms eine Sitzung stattgefunden, bei der auch Göring und Müller-Braunschweig eindeutig klargemacht wurde, dass sie alle ihre Hoffnungen in Bezug auf den Verlag aufgeben mussten. 

Berta Steiner, Prokuristin des Verlags, berichtete Anna Freud 1947: 

„Sie kennen, sehr geehrtes Fräulein Freud, in grossen Zügen Dr. S[auerwald] Bemühungen um den Verlag, die Verhandlungen mit Ihrer königl. Hoheit Frau Prinzessin [Marie Bonaparte], dabei das Für und Wider, die Beiziehung von Herrn Prof. G[öring] und Herrn Dr. Müller-Br[aunschweig] Berlin. Jedoch unbekannt wird Ihnen sein, dass Dr. S. keinen Instanzenweg scheute, um einen für den Verlag günstigen Ausweg zu finden. Herr Prof. G[örin]g., welcher ja selbst Mitglied der B.Psa.V [: Berliner Psychoanalytische Vereinigung. Wie vieles an Steiners Bericht unsicher und anzweifelbar sein mag, hier handelt es sich offensichtlich um einen Irrtum Steiners: Göring war nie Mitglied der DPG] war, hatte, um das Bestehen des Verlags für die nächste Zeit sicherzustellen, in einer geschlossenen mehrstündigen Sitzung in der Ärztekammer, den Wünschen Dr. S. gerecht werden wollen. Wir warteten beide im Vorzimmer auf das Ergebnis. Kreidbleich, fast zum Zusammenbrechen trat Herr Prof. Gg. Nach Abschluss der Verhandlungen uns entgegen und sagte: ‚Es war nichts zu erreichen! Ich reise heute noch ab. Sprechen wir kein Wort mehr darüber.’ Es erübrigte sich auch jede Erörterung, hatten wir doch die erregte Debatte vernommen. Im Verlaufe der Dinge konnte Dr. S. im Einverständnis mit Herrn Prof. Dr. Gg. von der Gestapo erreichen, dass sämtliche Universitäts- und Fachbibliotheken Deutschlands mit der Psa. Literatur beschenkt wurden, jedoch wurde ihm die Einschränkung aufgetragen, dass dieselben vorderhand unter Verschluss und Kontrolle durch die Staatspolizei gehalten würden. Die Sendung ist tatsächlich abgegangen und war nach Aussage Herrn Prof. Gg. im Jänner 1945 anlässlich eines Besuches in Wien, damals noch vorhanden. Dr. S. konnte in seiner Eigenschaft überhaupt keine Entscheidungen, welcher Art immer, über das Schicksal der Verlagswerke treffen. Die Vernichtung der Freudschen Bücher und Zeitschriften ist einzig und allein über Weisung von Berlin zurückzuführen, die auch die restliche Durchführung allein in der Hand hatte. Auf Befehl dieser Dienststelle wurden die restlichen Verlagswerke eingezogen und vernichtet. Einen ganz kleinen Bruchteil hatte Dr. S. damals der Nationalbibliothek Wien zur Aufbewahrung übergeben können.“[15]

Im Abschlussbericht Sauerwalds vom 6. Mai 1939 an die Prüfstelle für die kommissarische Verwaltung steht zu lesen: 

„Der Internationale Psychoanalytische Verlag Gesellschaft m.b.H. wurde gleichfalls nach genauer Prüfung aufgelöst und mir der Auftrag gegeben, den Verlag zu liquidieren. Diese Prüfung wurde gemeinsam von der Staatspolizei, Leitstelle Berlin, einvernehmlich mit dem Beauftragten des Reichsärzteführers für die Ostmark Dr. Ramm durchgeführt und beide Stellen kamen nach genauer Durchsicht zu dem Ergebnis, dass das Schrifttum für das Reich kulturell untragbar ist. Durch eine Verfügung der Geheimen Staatspolizei wurden die gesamten Inländern[16] gehörigen Schriften und Druckwerke cca. 16 Waggon restlos vernichtet.“[17] 

Göring hatte an Sauerwald geschrieben: 

„Zunächst sage ich Frau Steiner, Herrn Beranek[18] und Ihnen herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme, die ich in Ihrem Kreis gefunden habe. Mir ist noch zweierlei eingefallen: 1. Parteigenossen Dr. Ehlich lasse ich bitten, sich das Buch von Aichhorn, Verwahrloste Jugend genauer anzusehen und mir ein Exemplar schicken zu lassen. Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, dass wir dieses Buch vom Einstampfen ausnehmen können; ev. müsste das Vorwort von Freud herausgenommen werden. 2. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir Geld bekommen, um I. die in Wien tätigen arischen Psychotherapeuten in Berlin einzuschulen, was ich für unbedingt notwendig halt. Kosten etwa 1600 M[ark]. II. einige Wiener Aerzte ausbilden zu können. Kosten etwa 6000 M[ark].[19] Wir müssen bedenken, dass ein Psychotherapeut einen unabsehbaren Einfluss unbemerkt ausübt. Ich glaube, dass in Wien auch in arischen Kreisen noch jüdischer Einfluss zu verspüren ist, ohne dass die Menschen es selbst wissen.“[20]

Um zu verhindern, dass sein Buch von den Nationalsozialisten weiterverkauft oder ohne Freuds Vorwort neu herausgegeben werden konnte, bemühte sich Aichhorn darum, die Rechte an seinem Buch abgetreten zu bekommen. Sauerwald schrieb ihm – auf dem Briefpapier des Verlags – am 7. November 1938: 

„Sehr geehrter Herr Vorstand! Wir kommen auf das mit Ihnen gemeinsam geführte Gespräch zurück und bestätigen, dass wir Ihnen die deutschen Rechte des bei uns herausgebrachten Buches, dessen Autor Sie sind, Verwahrloste Jugend, zur Gänze, ohne irgendwelche Vergütung, abgetreten haben.“[21]

Die endgültige Liquidation des Verlags zog sich allerdings noch monatelang hin, nicht zuletzt weil Sauerwald versuchte, Außenstände einzutreiben.[22] Eine andere Einnahmequelle war, für die freigegebenen Werke ausländischer Autoren verschiedene Gebühren einzufordern.[23] So erhielt etwa Marie Bonaparte zunächst 217 Exemplare ihres Buchs Edgar Poe. Eine psychoanalytische Studie (Bonaparte 1933). Sauerwald schrieb ihr: „Was Ihre Bücher betrifft, so haben wir Ihre Bücher vom hiesigen Lager seinerzeit auf die Griechische Gesandtschaft transportieren lassen.[24] Vom Bücherlager Leipzig kommen einige Kisten Ihrer Bücher nach Wien, die zu Ihrer Verfügung dann stehen und ich ersuche um Ihre diesbezügliche Weisung.“[25] Letztlich sollte Marie Bonaparte gegen Bezahlung von RM 1.210,56 – (Kosten für Lager- und Instandhaltung, Kosten für die Aussortierung der Bücher aus dem Leipziger und Wiener Lager, Versicherungsprämien für Feuer-, Einbruch- und Wasserschäden, ferner der Fracht von Leipzig nach Wien und der Kosten für den Buchbinder) 795 Exemplare ihres Buches ausgefolgt bekommen.[26] Es wurde ihr auch angeboten, zu den selben Bedingungen die Werke anderer ausländischer Autoren – Alexander, Alexander & Staub, H. Deutsch, Ferenczi & Hollos, Lowtzky, Pfister, Rado, Sachs, Laforgue, Klein –  um RM 9.017,41 zu erwerben. Sauerwald schrieb ihr dazu im Oktober 1939: „Wie Ihnen bekannt ist, wurde über Verfügung der zuständigen Stellen sämtliche Werke ausländischer Autoren, soweit sie nicht Eigentum des I. P. V. waren freigegeben. Die, laut beiliegender Liste in Wien vorhandenen Bücher stehen Ihnen laut mündlicher Abmachung zu Ihrer Verfügung. Wir betonen nochmals, dass es sich um sämtliche freigegebenen Werke ausländischer Autoren handelt. Die restlichen Werke der anderen Autoren waren Eigentum des Verlages und konnten aus bekannten Gründen keinesfalls freigegeben werden, da ein Rechtsanspruch dieser betreffenden Autoren an die Liquidationsmasse nicht abgeleitet werden konnte. […] Da der Verlag gezwungen ist diesen Betrag unbedingt hereinzubringen, treten wir an Sie mit dem Ersuchen heran, diese gesamten Werke, wie Sie bereits schon einmal mündlich mitgeteilt haben, zu übernehmen.“[27] Marie Bonaparte verzichtete auf diese Bücher, da sie nicht bereit war, diese Kosten zu übernehmen.[28] Im Jänner 1940 schrieb ihr Sauerwald: „Wir haben Ihr Schreiben vom 11. 12. 1939 mit Dank erhalten und haben zur Kenntnis genommen, dass Sie durch dieses Schreiben einen ausdrücklichen Verzicht auf die von uns Ihnen angebotenen Werke ausländischer Autoren ausgesprochen haben.“[29]

Andere Bestände des Verlags, es dürfte sich um 60-80 Kisten gehandelt haben, wurden verteilt. Sauerwald sagte aus: „Ich habe weiters beim SD bezw. Staatspolizei, unter Überbrückung grosser Schwierigkeiten durchgesetzt, dass beinah sämtlichen Universitäten und Instituten Deutschlands und Österreichs psychoanalytische Literatur aus dem Bestand des Verlages übergeben wurde,[30] wobei jedoch der Auftrag seitens des SD erteilt wurde, es müssten diese Bücher von den Bibliotheken in geschlossene Verwahrung genommen werden.“[31]

Im September 1940 beantragte Sauerwald die Löschung der Firma und am 15. März 1941 wurde der Internationale Psychoanalytische Verlag schließlich aus dem Handelsregister gelöscht.[32]

In seiner Einvernahme vor dem Volksgericht behauptete Sauerwald zu seiner Entlastung:

„Schließlich habe ich nicht nur ohne Zustimmung des SD bezw. Gestapo, sondern gegen deren Auftrag von den gesamten Druckwerken [des Internationalen psychoanalytischen Verlags] in zwei bis dreifacher Auflage zahlreiche Kisten mit Büchern und Schriften, die fast durchwegs Unicate darstellten, der Wiener-Nationalbibliothek[33] übergeben. Diese Ausfolgung fand auf Grund einer persönlichen Abmachung mit dem damaligen Direktor der Nationalbibliothek Dr. Heigl statt und wurde geheim sowie ohne Schriftwechsel durchgeführt.“[34]

Im Widerspruch zu dieser Aussage steht der bereits zitierte Abschlußbericht Sauerwalds vom 6. Mai 1939, in dem er höchst offiziell mitteilte: „Ein Teil wurde ausgesondert und der Geheimen Staatspolizei Berlin, einvernehmlich mit dieser Stelle der Nationalbibliothek Wien übergeben.“[35]

Wie immer es zugegangen sein mag, Sauerwald übergab Heigl tatsächlich etwa 1300 Bücher des Verlags (Hall & Köstner 2006, S. 226). Aus diesen Beständen dürfte Heigl Ende Juli 1938 an Walter Frank, dem Präsidenten des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands, 261 Bücher und Zeitschriftenbände geschickt haben. Schreiben Heigls an Frank: 

„Sehr geehrter Herr Präsident, Endlich bin ich in der Lage, mein in München gegebenes Versprechen einzulösen: ich gebe heute Auftrag, die Werke des aufgelösten Psychoanalytischen Verlags in Wien, soweit ich sie in den letzten Wochen noch erfassen konnte, insgesamt 261 Bände und Hefte an die Abteilung Ihres Reichsinstituts für die Erforschung der Judenfrage nach München abzusenden. Die Liste der Werke lege ich hier bei, eine Abschrift geht direkt nach München. Ich hoffe sehr, mit der Widmung der Bände, auch wenn einiges heute noch unvollständig ist --- die Ausfüllung der Lücken werde ich mir angelegen sein lassen! --- Ihnen und Ihrem schönen Institut einen erwünschten Zuwachs erschafft, daher eine kleine Freude bereitet zu haben. Ich bitte nur, die Schenkung nicht in der Öffentlichkeit bekannt zu geben, ferner Anweisung zu geben, dass die gesamten Ausgaben ‚sekret’ behandelt, daher versperrt aufbewahrt und nur politisch zuverlässigen, von Ihnen selbst ausgewählten Wissenschaftlern zugänglich gemacht werden. Ferner bitte ich, die Versandkosten zu übernehmen; deren Höhe werde ich in Bälde bekannt geben können“ (P. Heigl an W. Frank, Brief vom 29.7.1938; Kopie: Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek).

Auch nach Königsberg und Straßburg und an die Bücherei des Hauptarchivs der NSDAP in München verschenkte er Bücher aus diesen Beständen (Hall & Köstner 2006, S. 224f).

Die Nationalsozialisten betrachteten die Schließung der „Wiener Psychoanalytischen Vereinigung“ und die Vernichtung des „Internationalen Psychoanalytischen Verlags“ als einen wichtigen Erfolg. Ramm verkündete in seinem Tätigkeitsbericht „Sechs Monate ärztliche Aufbauarbeit in der Ostmark“: 

„Die Ausschaltung der Juden aus der Beziehung zur Seele des deutschen Menschen, wie sie der Beruf des Arztes in seiner tiefsten und sinnvollsten Auffassung nun einmal stets mit sich bringt, bedeutet eine Klärung der rassischen Fronten, wie sie ausdrucksvoller und reiner nicht gedacht werden kann. Folgen muß dieser Tat die Ausmerzung jüdischen Geistes, der in einzelnen seelischen Behandlungsmethoden noch sein Unwesen treibt. Ein gründlicher Anfang wurde auf diesem Gebiet mit der Auflösung der ‚Psychoanalytischen Gesellschaft’ und der Schließung des ‚Psychoanalytischen Verlags’, beides geistige Kinder des Juden Sigmund Freud, in Wien gemacht. Rund 15 Waggons Freudscher und seiner Schüler Schriften, die in deutscher Sprache abgefaßt waren, wurden eingestampft und dadurch die Möglichkeit genommen, das aus diesen Büchern sprechende jüdische Geistesgut im Auslande als deutsches zu tarnen.“[36]

Zur Rückerstattung von Büchern des Internationalen Psychoanalytischen Verlags:

Bereits im Oktober 1945 hatte Anna Freud an ihren Cousin Harry Freud, der sich auf dem Weg nach Wien befunden hatte, geschrieben: „Ich bin schon sehr gespannt, ob Du auch noch nach Wien kommen wirst. Falls Du dort hinkommen solltest, könntest Du versuchen herauszufinden, ob sich noch irgendwelche Bücher im Verlag in der Bergasse 7 befinden? Und, besuche Aichhorn, falls das irgend möglich sein sollte?“[37] 

 Harry Freud, Sigmund Freuds Neffe, befand sich als Mitglied der alliierten Militärregierung in Österreich. Er kam tatsächlich im Herbst 1945 nach Wien und versuchte herauszufinden, ob noch Bücher des Verlags erhalten waren. Welche Dokumente Harry Freud – mit der Hilfe Indras[38] – damals aus dem Besitz Sauerwalds bekommen konnte, war nicht zu klären. Letztlich dürfte er aber nur herausgefunden haben, dass die Bücher des Verlags vernicht worden waren und dass es nicht möglich sei, eine Entschädigung dafür zu bekommen        

Im Oktober 1945 beantwortete Anna Freud jedenfalls einen nicht mehr auffindbaren Brief Harrys, in dem er ihr über seine Erlebnisse in Wien bereichtet haben dürfte. Sie schrieb: „Ich danke Dir sehr für Deinen ausführlichen Brief. Zu meinem eigenen Erstaunen bringt mich jede Nachricht aus Wien weit mehr durcheinander, als ich es für möglich gehalten hätte. Man wird nie so endgültig mit einem Teil des eigenen Lebens fertig, wie man gedacht hätte. Ich sollte das besser als andere wissen. Wie auch immer, jetzt ist es mir klar geworden. […] Ich werde alle die Neuigkeiten über die Bücher Martin und Ernst, die schon gespannt darauf warten, mitteilen. Rodker von der Imago Publishing Co. hier hat angeboten, wegen der Bücher nach Wien zu fahren, wann immer wir meinen, dass es Sinn machen würde.[39] Ich nehme an, dass Du jetzt der einzige bist, der beurteilen kann, ob in der gegebenen Situation ein britischer Verleger etwas erreichen kann. […] Ich weiß nicht, ob Dir Martin irgendwann einmal über ihn berichtet hat. Die Wahrheit ist, dass wir ihm unsere Leben und unsere Freiheit verdanken, weil er seine Position als Kommissar des Verlags dazu benützt hat, für unsere persönliche Sicherheit zu sorgen. Ohne ihn wären wir nie weggekommen. Es war er, der unsere sichere Reise ermöglicht hat, der, der für Dr. Stross im letzten Moment noch die Ausreiserlaubnis erwirkt hatte, so dass Papa nicht ohne Arzt reisen musste. [Max Schur, der ursprünglich als betreuender Arzt zusammen mit Freud ausreisen sollte, war krank geworden. An seiner Stelle übernahm Josefine Stross die ärztliche Betreuung Freuds]. Aber, noch viel mehr als nur das. Ich nehme an, dass Du weißt, dass Martin, der damals ziemlich außer sich war, in seinem Schreibtisch einige sehr belastende Unterlagen über unsere Schweizer Angelegenheiten aufbewahrt hatte. Sie wurden dort gefunden, aber Sauerwald hat sie an sich genommen und sicher aufbewahrt, bis wir abgereist waren. [vgl. die davon abweichende Darstellung der Ereignisse in Freud, M. 1957, S. 226ff]. Er war wirklich mein einziger Freund und Beistand, nachdem Martin und alle unseren jüdischen Freunde weg waren. Die Prinzessin wusste und dachte immer genauso über ihn. Sie hat ihn sogar in ihrem Buch über den Krieg erwähnt. Es wird nun als ein Beispiel für den ‚Freund in der Verkleidung des Feindes’ veröffentlicht werden.[40]Sauerwald solle daher nichts angetan werden, oder, falls er festgenommen wurde, dann sollte alles das zu seiner Verteidigung gesagt werden. Papa sagte immer, dass wir vielleicht eines Tages für ihn aussagen können und damit unsere Schuld ihm gegenüber abtragen können.[41] Und außerdem: nachdem wir abgereist waren, besuchte er die Tanten und blieb bei ihnen, ganz so wie Du es an den Sonntagen gewöhnlich gemacht hast. Erst als er zum Militär eingezogen worden war, blieben sie ohne Schutz zurück. Könntest Du über ihn nach Wien schreiben? Ist das möglich? Ich nehme an, er könnte sehr hilfreich dabei sein, die Verlagsbestände wieder zu finden, so weit das noch möglich ist. Ich hoffe nur, dass er und Martin einander nie mehr treffen. Martin konnte ihm nicht vergeben, dass er plötzlich machtlos war, während Sauerwald alle Macht hatte. Er hat seine Macht aber nicht missbraucht. Es gibt nur wenige Menschen, die fähig sind, so einer Versuchung zu widerstehen.“[42] 

Bereits im Herbst 1945 waren in Wiener Tageszeitungen überaus negative Berichte über Sauerwalds Verhalten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit 1938 erschienen[43] und am 27. April 1946 wurde gegen ihn ein Festnahmebefehl ausgesprochen. Er wurde von der Staatspolizei zur Fahndung ausgeschrieben, anfangs Mai 1947 in Tirol verhaftet und nach Wien überstellt. Am 26. Juli 1947 wurde er aus der Haft entlassen.[44] Es wurde ihm vorgeworfen, dass er anlässlich der Registrierung der Nationalsozialisten über wesentliche Umstände unvollständige und unrichtige Angaben gemacht habe, nämlich, nicht angegeben zu haben, schon vor dem März 1938, zur der Zeit also, als die NSDAP in Österreich verboten gewesen war, illegal Mitglied gewesen zu sein (Verbrechen des Hochverrats und Verbrechen des Betruges), und dass er sich als kommissarischer Verwalter des Internationalen Psychoanalytischen Verlags und des Ambulatoriums der WPV, sowie bei der Beschlagnahme des Vermögens der WPV und des Vermögens Freuds, selbst in Anbetracht der damals gültigen nationalsozialistischen Regelungen, unverhältnismäßige Vermögensvorteile zugewendet habe (Verbrechen gegen das Kriegsverbrechergesetz) (vgl. Akt Sauerwald: WStLA).[45]

Als Anna Freud nach der Verhaftung Sauerwalds von seiner Frau um Hilfe gebeten worden war, schrieb sie ihr: „Meine Eltern und ich haben nie daran vergessen, dass wir Grund hatten, Ihrem Mann in verschiedener Beziehung sehr dankbar zu sein. Wir waren damals in einer sehr gefährdeten Lage und es war kein Zweifel darüber, dass Ihr Mann sein Amt als unser bestellter Kommissar benützt hat, um eine schützende Hand über meinen Vater zu halten. Er ist ihm selbst immer mit großem Respekt und großer Rücksicht begegnet, hat möglichst vermieden, andere Funktionäre des Regimes in seine Nähe kommen zu lassen und hat, wie ich weiß, längere Zeit Schriftstücke in seinem Schreibtisch verborgen gehalten, die uns hätten gefährlich werden können. Mein Bruder und fast alle unsere Freunde hatten damals Wien schon verlassen, so daß ich ohne Hilfe war, um die Ausreise meiner Eltern und meine eigene zu betreiben. Er hat mich damals zu verschiedenen Ämtern begleitet, um mit Unannehmlichkeiten zu ersparen. Besonders dankbar war ich dafür, daß er sich die größte Mühe gegeben hat, meinem Vater ärztliche Begleitung für die Reise zu sichern. Mein Vater war damals ja schon 82 Jahre alt und schwer krebskrank. Dr. Sauerwald hat dann nach unserer Auswanderung dafür gesorgt, daß wir wirklich alle unsere Möbel und vor allem die Sammlung von Antiquitäten, die der liebste Besitz meines Vaters war, nachgeschickt bekommen haben. Im vorigen Jahr ist einmal das Gerücht zu uns gedrungen, daß Dr. Sauerwald verhaftet ist. Ich habe damals einen Brief zu seinen Gunsten an die Behörde geschickt, die mir die zuständige schien. Das gleiche tat Frau Prinzessin Georg von Griechenland, eine Freundin unseres Hauses, die 1938 bei uns in Wien war und Dr. Sauerwald in gleicher Weise dafür dankbar, daß er meinen Vater beschützt hat. Wir bekamen aber damals die Antwort, daß das Gerücht auf einem Irrtum beruht haben muß. Prinzessin Georg von Griechenland wäre sicher bereit, ihre Fürsprache von damals jetzt zu wiederholen. Wenn Sie mir die zuständige Behörde angeben wollen, so will ich die Prinzessin bitten, einen Brief dorthin zu richten. Oder an Sie, wenn Ihnen das besser erscheint. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Mann, daß die jetzige Sorge ohne schwere Schädigung für ihn vorübergeht.“[46]

Im März 1946 schrieb Anna Freud an Paul Federn: „Und nun zu Ihren Fragen. Ich habe gleich nach Empfang Ihres Briefes mit meinem Bruder Martin darüber gesprochen, ob es möglich ist, von hier aus irgendeinen Claim für unseren alten Vereinsbesitz in Wien zu machen und er hat es mit einem absoluten nein beantwortet. Es gibt hier keine Stelle, mit der man sich in einer solchen Frage in Verbindung setzen kann. In der letzten Woche ist, glaube ich, ein österreichischer Gesandter hier eingetroffen. Aber es hat noch keiner einen Weg gefunden, auf dem man entweder privates oder Vereinseigentum anfordern könnte. Dazu kommt, dass die Frage unserer Staatsbürgerschaft ganz in der Luft hängt. Keiner von uns ist hier naturalisiert, weil die Naturalisationen seit Kriegsbeginn eingestellt sind und noch nicht wieder begonnen haben. Keiner von uns hat andererseits Lust, seine alte österreichische Staatsbürgerschaft zu claimen, wenn man nicht absolut dazu gezwungen werden wird. Wir haben uns erkundigt, auf dem Weg über Deuticke und durch meinen Vetter Harry, der in Wien war, wie es mit dem Besitz des Verlages steht, aber es scheint absolut nichts davon übrig geblieben. Niemand weiß, ob die Bücher tatsächlich zerstört worden sind oder ob sie nach Deutschland geschafft wurden. Wenn sie in das Berliner Institut gekommen sind, was jemand vermutet, so sind sie dort wahrscheinlich irgendwie untergegangen. Andererseits sind Sie sicher mit Aichhorn in Verbindung, wahrscheinlich lange vor uns, denn von Amerika konnte man ja nach Österreich schreiben, von hier aus nicht. Am 1. Januar ist es dann erlaubt worden und ist auch eine Weile sehr gut gegangen, aber jetzt dauert jeder Brief wieder viele Wochen, wenn er überhaupt ankommt. Wissen Sie etwas, ob Aichhorn, der ja dort ein neues Institut eröffnet, etwas von dem Bestand des alten Instituts dafür bekommen hat?[47] Die Berggasse 7 wird überhaupt nirgends erwähnt und ich kann nicht erfahren, ob von allen dortigen Beständen (Möbeln, etc.) irgendetwas gerettet ist. Also, was immer Sie dafür von Amerika aus tun können, ist willkommen. Von hier aus ist man darin sehr hilflos.“[48]

Im Mai 1946 schrieb Anna Freud Aichhorn, sie könne sich nicht vorstellen, dass wirklich alle Bücher des Verlags vernichtet worden seien. Er solle versuchen, herauszufinden, ob nicht irgendwo Überreste der Verlagsbestände erhalten geblieben seien (Aichhorn Th. 2012, S. 189). Es ist nicht klar, ob Aichhorn auf diesen Brief antwortete oder ob er selbst auf die Idee gekommen war, Anna Freud zu fragen, ob er sich für sie erkundigen solle, ob ihr im Rahmen der Vermögensrückstellung der Psychoanalytische Verlag und ein Ersatz für die vernichteten Bücher zuerkannt werden würden (a. a. O., S. 193f). Anna Freud antwortete ihm, dass sie ihm sehr dankbar wäre, wenn es ihm gelänge, zu erreichen, dass der Verlag wieder als ihr und ihrer Familie Eigentum anerkannt werden würde und wenn auch kein Besitz mehr da sei, dann solle er wenigstens versuchen, eine Entschädigung für die vernichteten Bücher und für die Ausstattung der Wohnung der WPV zu bekommen (a. a. O., S. 197). Während Indra, an den sich Anna Freud wegen einer möglichen Rückerstattung des Verlags gewandt hatten, ihr nur lakonisch antwortete, dass „alle Fragen der Wiedergutmachung beim Verlag Mr. Harry Freud auf Grund seiner recht weitgehenden militärischen Mittel bereits überprüft“ [49] habe und er keine Chance sehe, irgendetwas zurückzubekommen, ging Aichhorn offenbar davon aus, dass es durchaus möglich sei, eine Rückerstattung zu erreichen. Er teilte Anna Freud jedenfalls mit, dass er eine Vollmacht benötige, um die nötigen Schritte einleiten zu können (a. a. O., S. 203).  

Seitdem Harry Freud im Herbst 1945 in Wien gewesen war, hatte sich die Lage verändert. Damals hatte es in Österreich noch keine klaren Vorstellungen darüber gegeben, ob und wie das durch die Nationalsozialisten geraubte Vermögen zurückgegeben werden sollte,[50] schließlich war aber am 26. Juli 1946 das erste, und am 6. Februar das zweite und dritte Rückstellungsgesetz beschlossen worden. Aichhorn ersuchte Anna Freud im Jänner 1947 nochmals, ihm eine Vollmacht zu schicken, um intervenieren zu können (a. a. O., S. 234). Und im Sommer 1947 schrieb Aichhorn Anna Freud, dass er nun hoffe, die Rückerstattung von Verlag und Wohnung zuwege bringen zu können (a. a. O., S. 253). 

Aichhorns Anwalt, Dr. Karl Zingher, schrieb ihm im August 1948:

„Da ich Sie telefonisch nicht erreichen konnte, nehme ich an, daß Sie sich auf Urlaub befinden. Ich erlaube mir daher schriftlich folgendes zu berichten:

  1. Die Gewerbeberechtigung des Psychoanalytischen Verlages könnte ohne weiteres wieder erlangt werden, nur müsste die Ges.m.b.H., welche die Inhaberin war, neu gegründet werden. Das hat natürlich nur dann einen Zweck, wenn tatsächlich die Absicht besteht, den Verlag zu eröffnen.
  2. Dem Verlag gehörige Bücher unbekannter Menge wurden der National-Bibliothek übergeben. 
  3. Die Einrichtung des Ambulatoriums, von dem nicht feststeht, ob es Herrn Prof. Freud persönlich oder dem Psychoanalytischen Verlag gehört hat, hat die Universität Wien unentgeltlich übernommen. Es handelt sich um die Einrichtung des Sitzungssaales, der Bibliothek und verschiedene andere Einrichtungsgegenstände. 
  4. Sonstige Aktiva und Passiva dieses Unternehmen sind nach Mitteilung des Herrn Dr. Sauerwald nicht mehr vorhanden.
    1. die in Wien tätigen arischen Psychotherapeuten in Berlin einzuschulen, was ich für unbedingt notwendig halte. Kosten etwa 1600 M.

Die genannten Einrichtungsgegenstände und die Bücher könnten auf Grund des 3. Rückstellungsgesetzes zurückverlangt werden und ich bitte um Weisung, ob ich die erforderlichen Schritte unternehmen soll. Weiter bitte ich um Mitteilung, welche Schritte ich bezüglich der Reaktivierung des Verlages unternehmen soll.“[51]

Aichhorn antwortete ihm: 

„Ihren Brief vom 22. August fand ich nach meiner Rückkehr aus Gastein vor. Ich beeile mich Ihnen zu antworten.

ad 1 Hat die Wiedererlangung der Gewerbeberechtigung des Psychoanalytischen Verlages nur dann einen Zweck, wenn tatsächlich die Absicht besteht, den Verlag zu eröffnen, oder ist die Konzession ein Objekt, das verkauft werden kann? 

ad 2 Hat Dr. Sauerwald mittlerweilen sich schon wieder gemeldet und wissen Sie, ob die seinerzeit von ihm der Nationalbibliothek zur treuhändigen Verwaltung übergebenen Bücher vorhanden sind? 

ad 3 Die Einrichtung des Ambulatoriums, die die Universität Wien unentgeltlich übernommen hat, war Eigentum der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Kann auch in deren Namen eine Rückerstattung verlangt werden? 

Wegen der Reaktivierung des Psychoanalytischen Verlages möchte ich mich erst mit Fräulein Freud in Verbindung setzen, bis Sie mir Mitteilung gemacht haben, ob die Konzession ein verkaufbares Wertobjekt ist. Wegen der Rückerstattung der Einrichtungsgegenstände und Bücher bitte ich, die erforderlichen Schritte zu unternehmen.“[52] 

Zingher antwortete Aichhorn: 

„In höflicher Beantwortung Ihres Schreibens vom 13. ds. Teile ich Ihnen Folgendes mit:

   Zu 1.) Der Verkauf der Gewerbeberechtigung ist zwar nach dem Gesetz nicht zulässig, doch werden üblicherweise Vergütungen geleistet, wenn die Gewerbeberechtigung zu Gunsten eines Dritten zurückgelegt wird.

   Zu 2.) Herr Dr. Sauerwald hat mir versprochen, nächste Woche eine Liste der der National-Bibliothek übergebenene Bücher zu bringen, um deren Freigabe ich dann bei der Finanzlandesdirektion ansuchen werde.

   Zu 3.) Bezüglich der Einrichtung des Ambulatoriums würde der Psychoanalytischen Vereinigung ein Anspruch auf Rückgabe zustehen. Es kann auch nach § 29 des 3. Rückstellungsgesetzes Auskunft über das vorhandene Vermögen verlangt werden. Da das Orientalische Institut diese Auskunft verweigert hat und auch die Rückstellung ablehnt [vgl. Brief 60], würde ich vor Einbringung eines Rückstellungsantrages bei der Rückstellungskommission diesbezüglich an das Philosophische Dekanat herantreten.“[53]

Im Oktober 1947 schrieb Aichhorn an Anna Freud:

In die Räume der Vereinigung Berggasse 7 ist das Orientalische Institut der Wiener Universität eingezogen. Sie benützen natürlich auch die Einrichtung der Vereinigung. Um sie rückgestellt zu bekommen, ging ich mit Dr. Sauerwald und einem Vertreter des Rechtsanwaltes in das Institut. So entgegenkommend die Leitung der Nationalbibliothek sich verhielt, so ablehnend war der Assistent des orientalischen Institutes, dessen Namen ich mir selbstverständlich nicht gemerkt habe. Ich suchte ihn auf, um aus dem Bestand das für uns Brauchbare auszuwählen und auf dem Wege freundschaftlicher Auseinandersetzungen ihm zu überlassen, was für uns gegenstandslos geworden ist. Er verkannte die Situation völlig, so daß ich ihm recht deutlich erklären mußte, ich komme nicht als Bittender, sondern als Rechtsnachfolger der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, die ihr Eigentum zurück verlangt. Er ist absolut nicht verhandlungsfähig, jemand anderer war nicht zur Stelle und ich nicht geneigt, stundenlang zu warten, bis der Herr Ordinarius sich herabläßt, uns zu empfangen. Die Folge ist nun, daß wir alles restlos zurückverlangen und das orientalische Institut in leeren Räumen zurücklassen. Was wir nicht verwenden können, wird verkauft (Aichhorn, Th. S. 258).

Ob es in Bezug auf die Räume und das Inventar der WPV je zu einem Rückstellungsantrag gekommen ist – und wenn nicht, warum? – ist aus den bisher aufgefundenen Unterlagen nicht zu klären.

Sauerwald – und wahrscheinlich auch Berta Steiner – hatte Aichhorn wahrscheinlich erst im Sommer 1947 drüber informiert, dass er Bücher des Internationalen psychoanalytischen Verlags in der Nationalbibliothek deponiert hatte und von ihm hatte Aichhorn auch erfahren, was mit den Räumen der WPV geschehen war.

Nach einem Treffen mit Aichhorn schrieb Sauerwald an die Generaldirektion der Nationalbibliothek:

„Betrifft: Rückgabe deponierter Bücher: Im Jahre 1939 wurden von mir in meiner damaligen Eigenschaft als Liquidator des Psychoanalytischen Verlages, Wien IX. Berggasse dem damaligen Direktor der Nationalbibliothek Herrn Dr. Heigl grössere Mengen von Druckwerken des Psychoanalytischen Verlages zu treuen Händen übergeben. Dr. Heigl versicherte mir, dass diese Druckwerke in der geschlossenen Abteilung der Nationalbibliothek aufbewahrt werden würden. Da das gesamte Schrifttum des Verlages über Weisung der Geheimen Staatspolizei 1939/1940 vernichtet werden musste, werden diese deponierten Buchbestände von den Rechtsnachfolgern des Verlages zum Zwecke der Wiedergutmachung angefordert. Die genaue Auflage der deponierten Buchbestände ist mir nicht mehr erinnerlich, nachdem damals keinerlei Schriftwechsel in dieser Angelegenheit geführt werden durfte. Es dürfte sich um eine Autoladung psychoanalytischer Literatur handeln, die im neuen Zustand in Kisten verpackt war. Bei sämtlichen Büchern und Druckschriften ist der Psychoanalytische Verlag als Herausgeber gekennzeichnet. Ich bitte um baldmöglichste Verständigung, damit ich nach Legitimation diese Bestände dem derzeitigen Rechtsnachfolger übergeben kann.“[54]

Generaldirektor Bick antwortete: 

„Auf Ihre Zuschrift vom 12. August beehrt sich der unterzeichnete Generaldirektor mitzuteilen, daß in der nationalsozialistischen Zeit eine Reihe von Werken des Psychoanalytischen Verlages der Nationalbibliothek überwiesen wurden. Soweit sich diese noch im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek befinden, besteht selbstverständlich keine Schwierigkeit, diese dem recht mäßigen Besitzer zurückzuerstatten. Es muß aber betont werden, daß der damalige Generaldirektor der Nationalbibliothek, Dr. Paul H e i g l, einen Großteil dieser Werke an andere, heute nicht mehr feststellbare Bibliotheken abgab. Zur Durchführung dieser Angelegenheit dürfte es am besten sein, wenn Sie sich mit Dr. Ernst T r e n k l e r, dem die Erledingung solcher Rückgabeaktionen abliegt, persönlich ins Einvernehmen setzen wollen.“[55] 

Nachdem die Bücher in der Nationalbibliothek sichergestellt worden waren, schrieb Sauerwald an Aichhorn: 

„Von Frau Steiner habe ich die Nachricht erhalten, dass die Bücherrückstellung durch die Wiener Nationalbibliothek abgeschlossen sei. Ebenso habe ich erfahren, dass eine neuerliche Urgenz von einigem Erfolg begleitet war. Es tut mir wirklich leid, dass nicht der gesamte von mir damals der Nationalbibliothek zur Aufbewahrung übergebene Bücherbestand aufgefunden werden konnte. Meines Wissens nach ist beinahe die Hälfte auch an dieser sicheren Stelle verloren gegangen. Wie ich Ihnen, sehr verehrter Herr Professor, anlässlich meines Wiener Aufenthaltes versichert habe, konnte ich damals keine diesbezüglichen Aufzeichnungen führen, ebenso wenig wurde mir die treuhänderische Übernahme der Buchbestände durch den seinerzeitigen Direktor, Dr. Heigl, aus bestimmten Gründen bestätigt. Die Nachforschungen nach den Büchern wären bestimmt leichter gewesen, wenn eine Übernahmeliste vorhanden gewesen wäre. […] Es wird ja auch kaum mehr mit Sicherheit zu eruieren sein, wer den Auftrag zum Auspacken der ins Depot gegebenen Kisten erteilt hat. Die Angelegenheit der Rückgabe der dem Universitätsinstitut seinerzeit übergebenen Mobilien und Inventars des Verlages, der Vereinigung und des Ambulatoriums dürfte leichter zu regeln sein, da ja seinerzeit mit dem damaligen Rektor der Universität mit Zustimmung der mir vorgesetzten Dienststelle (Vermögensverkehrsstelle) ein Abkommen getroffen wurde, wonach der gesamte Bestand (Räumlichkeiten in der Berggasse, Einrichtung Heizanlage usw.) gegen einen Anerkennungsbetrag (ich glaube RM 1.000.-) in den Besitz der Universität übergingen. Dies wurde deshalb verfügt, damit die gesamte Einrichtung der Vereinigung und des Verlages, vor allem der grosse Sitzungssaal, in einer Hand erhalten bliebe, da die Zins- und Erhaltenskosten mangels Deckung durch die Liquidation nicht getragen werden konnten. Eine diesbezügliche schriftliche Unterlage muss in Händen der Universität sein [vgl. Akten: Archiv der Universität Wien]; die bei mir vorhandene Zweitschrift ist entweder in Händen der Behörde, oder im Zuge der Plünderung meiner Wohnung verloren gegangen.“[56]      

Die Nationalbibliothek war zwar durchaus bereit gewesen, die Bücher herauszusuchen und zurückzugeben, ihre Rückerstattung war aber kompliziert und einigermaßen umständlich, weil sie unterdessen in den Bestand der Bibliothek eingereiht worden waren. Es war daher nötig, möglichst vollständige Listen anzulegen, um – mit Hilfe von Sauerwald und Steiner – nachweisen zu können, welche Bücher aus dem Bestand des Verlags stammten (vgl. Aichhorn Th. 2012, S. 257ff, S. 262). Als die Bücher des Internationalen Psychoanalytischen Verlages aus der unübersichtlichen Masse von Büchern endlich herausgesucht worden waren, dauerte es noch Monate, bis endlich die Ausfuhrgenehmigung einlangte und sie der Familie Freud rückerstattet werden konnten. Bis es zur endgültigen Restitution und zur Bewilligung kam, die Bücher ausführen zu können, sollte es noch bis zum Juli 1949 dauern (a. a. O., S. 421). 

Alle Bücher hatte man damals offenbar nicht zurückbekommen. In der Ausstellung „Geraubte Bücher“, die vom Dezember 2004 bis zum Jänner 2005 in der Nationalbibliothek stattgefunden hat, konnte ich noch Bücher mit dem Verlagsstempel entdecken. 2005 hat die Nationalbibliothek auch diese Bücherrückerstattet. Sie gingen in den Besitz der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung über.[57]

 

Anhang:

Die Berichte August Beraneks:

1. Wie die Nazis den Internationalen Psychoanalytischen Verlag zerstörten.[58]

Von Dr. August Beranek

Man mag zu dem psychologischen Menschenbild der Freud’schen Psychoanalyse heute stehen wie man will – man mag ihr Lehrgebäude als epochalen Qualitätssprung in der Entdeckung des Menschen oder als imposante Fehlkonstruktion werten – unbestritten bleibt die Tatsache, dass der Mensch Sigmund Freud zu den bedeutendsten Gestalten der Wissenschaft unseres Jahrhunderts zählt und ohne sein Werk die Entwicklung der modernen Psychologie undenkbar wäre.

„Nemo propheta in patria“. So fragwürdig das Wort sein mag, es scheint durch dieses Gelehrtenleben einmal mehr bestätigt. In Wien aufgewachsen, verbrachte Sigmund Freud achtundsiebzig Lebensjahre in dieser Stadt, in der er seine Forschungen betrieb, alle seine Schriften verfasste und jene wissenschaftliche Bewegung der Zwischenkriegszeit auslöste, die sich in der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung ihr weltweites Wirkungsfeld schuf. In allen Kulturstaaten der Erde entstanden psychoanalytische Gesellschaften. In Wien waren es etwa 65 Aerzte u. Psychologen, die gemeinsam mit Freud das geistige Zentrum bildeten, ein psychoanalytisches Ambulatorium ins Leben riefen und den Internationalen Psychoanalytischen Verlag gründeten, der (nach ersten Publikationen bei Franz Deuticke, Wien, und Hans Huber, Bern) fast das ganze psychoanalytische Schrifttum vereinte. Ueberall – im britischen Empire, in Amerika, Japan, in fast allen europäischen Staaten – fand die Psychoanalyse in die offizielle Wissenschaft Eingang. Nur in Oesterreich und seiner Hauptstadt Wien galt sie als unakademisches Aergernis und ihr Begründer als inakzeptabler Aussenseiter. Freud erhielt niemals ein Lehramt an der Universität. Nicht einmal einer Strasse hat Wien den Namen ihres weltbekannten Sohnes gegeben, und als die Hitlerherrschaft sich Oesterreichs bemächtigte, verschwand die Psychoanalyse vollends aus der Stadt ihres Ursprungs. Freud verliess Wien, das ihn verlassen hatte. Wie trug sich das zu?

Ich weiss es nicht, vielleicht bin ich der einzige noch lebende Augenzeuge, der diese dramatischen Tage des Jahres 1938 in allen Details als unmittelbarer Beteiligter miterlebt hat. Seit Anfang der dreissiger Jahre war ich im Internationalen Psychoanalytischen Verlag – einer Ges. m. b. H., deren Geschäftsführer der Rechtsanwalt Dr. Martin Freud, einer der Söhne Sigmund Freuds, war – als Betriebsleiter tätig gewesen, zuerst in den Räumen der Wiener Börse, dann in der Berggasse im IX. Wiener Gemeindebezirk. In ihr, ein paar Häuser weiter, wohnte auch der Vater der Psychoanalyse seit eh und je mit seiner Frau, seiner Tochter Anna – der Begründerin der Kinderanalyse – und seiner Schwägerin, die den schwerkranken, an Kieferkrebs leidenden Gelehrten bei seiner Arbeit unterstützte. Neben den Büchern Freuds aus dieser fruchtbaren Arbeitsperiode (im Mittelpunkt des Verlagsschaffens stand damals die grosse Ausgabe seiner Gesammelten Werke) und zahlreicher Autoren aus allen Ländern der Vereinigung erschienen im Verlag vier Monatszeitschriften: die „Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse“, die „Imago“, die „Zeitschrift für Psychoanalytische Pädagogik“ und die „Psychoanalytische Bewegung“, die einige Jahre vor der Katastrophe eingestellt wurde. Freud war kein Politiker. Er war ein aufgeklärter, zutiefst humanistischer Kosmopolit. Zu seinen persönlichen Freunden zählten u. a. Stefan Zweig, Thomas Mann, Arnold Zweig. Zu den philosophischen Systemen seiner Zeit fand er keine Beziehung. Sein Weltbild war der Versuch, seinen Kulturpessimismus, sein „Unbehagen in der Kultur“, auf neue Weise – eben durch die Anwendung und Uebertragung der analytischen Deutungen auf gesellschaftliche Phänomene – universell zu erhärten und sich, ausgerüstet mit dem Instrumentarium einer „psychoanalytischen Weltanschauung“ gleichsam als Arzt neben die Menschheit zu stellen, die in ihrer Zivilisation von Massenneurosen, mehr aber noch von Psychosen wie Nationalismus, Antisemitismus usw. geplagt war.

Im April 1938, der „Führer“ hatte Wien eben wieder verlassen – erschien bei mir im Verlag ein junger Mann, der sich als „Unterscharführer Schmidt“ vom Reichssicherheitshauptamt Berlin vorstellte und mir eröffnete, er sei gekommen, „den jüdischen Laden dicht zu machen“. Er wies einen Befehlt seiner Berliner Dienststelle vor, unterzeichnet mit „Dr. Ehlich“. Ich protestierte gegen diesen Eingriff der SS, worauf mir bedeutet wurde, alle Bücher- u. Zeitschriftenbestände des Verlages seien beschlagnahmt, ein Kommissarischer Leiter – Parteigenosse Dr. Sauerwald – sei eingesetzt, und ich hätte mich zur Verfügung zu halten. Dieser Dr. Sauerwald erwies sich als einer der nicht einmal allzu seltenen Sonderfälle: ein junger – man verzeihe mir – wirklich sympathischer, konzilianter Wiener Chemiker, eben promoviert und vom Grossdeutschen Reich hell begeistert. SA-Mann aus weltfremdem Idealismus, betrachtete er es als seine Aufgabe, zu verhindern, dass „ein Blödsinn geschieht“. Nach zwei Tagen waren wir mit unseren Gesprächen so weit, dass wir einen Plan entwarfen, wie die Wiener Psychoanalyse und der Verlag mit Anstand zu retten seien.

Ich flog nach Berlin,[59] ging in die Höhle des Löwen, zu eben jenem Dr. Ehlich in der Prinz-Albrecht-Strasse, und stellte mich naiv, indem ich beteuerte, welche materiellen Werte dem Deutschen Reich durch die Liquidationsverfügung verloren gingen.[60] Offenbar hielt mich der Mann für einen armen Irren, denn er liess mich nach abschlägigem Bescheid mit der Bemerkung laufen, ich könnte mich ja in Wien an den für das Gesundheitswesen eingesetzten SS-Führer Prof. Dr. Ramm wenden.

Ich tat etwas anderes. Ich versuchte, mit den noch in Berlin halb im Untergrund lebenden Psychoanalytikern Verbindung herzustellen. Mir war bekannt, dass sie unter Bedingungen weiterwirkten, die einer Groteske glichen. Die Psychoanalytiker jüdischer Herkunft hatten Deutschland längst verlassen. Die Nazi hatten ein „Deutsches Institut für Psychotherapie und psychologische Forschung“ gegründet und dessen Leitung dem NSDAP-Mitglied Professor Dr. jur. et med. Joseph [!] Göring, dem Onkel [!] des „Reichsmarschalls“ Hermann Göring, anvertraut. Dieser stille bärtige Psychiater war ein Freund der Tiefenpsychologie und ein Mann des Ausgleichs. Er bildete in dem neuen Institut sechs [!] Arbeitsgruppen, für jede der damals vorhandenen psychotherapeutischen Richtungen eine. Die Gruppe A bekannte sich (intern, versteht sich) zu Sigmund Freud, die Gruppe B zu C. G. Jung. Die Gruppe C zu Alfred Adler, die Gruppe D zu Hans Künkel usw. Tatsächlich gelang es Görings Onkel, allen Mitgliedern des Instituts Betätigungsmöglichkeit zu sichern. Damit war er aber zugleich selbst in der Hand dieser Kollegen; denn jede Mitteilung „nach oben“ über die eigentliche Aktivität des Instituts, hätte trotz seines gewichtigen Neffen seine Existenz bedroht.

Telefonisch wurde für Mitternacht seine Zusammenkunft des Instituts vereinbart. Ich berichtete über die Situation des Verlages. Auf Anregung des Präsidenten der „Gruppe A“, Dr. Böhm, flog ich am nächsten Tag mit Prof. Göring und dem Berliner Psychoanalytiker Dr. Müller-Braunschweig nach Wien, um dort die Eingliederung der psychoanalytischen Einrichtungen (Verlag und Ambulatorium) sowie der noch vorhandenen Mitglieder der Gesellschaft in das Berliner Institut zu erwirken. 

In Wien fanden wir für den Plan sofort die Unterstützung des Dr. Sauerwald, der sich mit uns zu jenem SS-Professor Dr. Ramm begab. Nachher wussten wir alle genau, was ein preussischer Nazi ist. Dieser fette, gedrungene Mann mit Doppelkinn, Stiernacken und zorngerötetem Gesicht, das von Mensurnarben zerfurcht war, brüllte uns im Kasernenhofton an, welche „jüdische Saubande“ wir denn zu protegieren gedächten, drohte dem zitternden alten Professor Göring mit einer „Meldung an den Reichsführer SS“ und liess uns buchstäblich hinauswerfen.[61] Am nächsten Tag wurde das gesamte Bücherlager zur Vernichtung abtransportiert, die Berliner Herren kehrten schleunigst dorthin zurück, woher sie gekommen, und Sigmund Freud wurde mit seiner Familie, von SA bewacht, unter Hausarrest gestellt. Ich kam mit einem Berufsverbot für die „deutsche Ostmark“ glimpflich davon. Es gelang mir noch, auf Umwegen Dr. Ernest Jones, den in London lebenden Präsidenten der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung und späteren Freud-Biographen, von der Lage Freuds zu verständigen. Schon kurze Zeit danach traf in Wien, wie mir Dr. Sauerwald mitteilte, „von höchster Stelle“ ein Befehl an den Polizeipräsidenten ein, die Familie Freud sei unverzüglich mit Reisepässen auszustatten und habe die Genehmigung, das Land zu verlassen. Wie ich später erfuhr, war diesem Schritt ein persönliches Telegramm von Franklin D. Roosevelt an Hermann Göring vorausgegangen, in dem es ultimativ hiess, die USA würden es als Anlass zur Ueberprüfung ihrer diplomatischen Beziehungen zu Deutschland betrachten, wenn der Familie Sigmund Freud Schaden zugefügt würde.

Mit wenig Handgepäck verliess Freud mit den Seinen die verlorene Heimat. Seine Wohnung, seine Bibliothek, seine Kunstsammlung wurden von den neuen Machthabern verkauft, der Erlös und die verbliebenen Barmittel beschlagnahmt. In seinem Londoner Domizil, von seiner Familie und seinen Freunden umgeben, starb der 83jährige ein knappes Jahr später. Den zweiten Weltkrieg hat er nicht mehr erlebt.

Als ich nach der Befreiung Österreichs nach Wien zurückkehrte, fand ich als einzigen dort verbliebenen Psychoanalytiker August Aichhorn, den bekannten Pädagogen und Autor des Buches „Verwahrloste Jugend“ wieder. Der hochbegabte Freund und Schüler Sigmund Freuds versuchte noch, zur Gründung eines Freud-Archivs [!] aufzurufen, stiess aber allenthalben auf Widerstand und starb bald danach. Seither ist in Wien und Österreich, von privaten Interessen und vielleicht gelegentlicher Reminiszenz abgesehen, die Psychoanalyse tot. Kaum beachtet steht im Wandelgang der Wiener Universität unter Duzenden anderen die Büste ihres Begründers.[62] Das Erbe des Verlages hatte zuerst die Imago Publishing Co., London, angetreten, bis sich auf deutschem Boden der S. Fischer Verlag der Psychoanalyse annahm und die freudschen Werke neu auflegte.

Nemo propheta in patria.

2. Gedächtnisprotokoll des Berichtes von Dr. August Beranek über sein Zusammentreffen mit Martin Freud:[63]

Am Samstag, dem 24. April 1976, fand eine Zusammenkunft mit Herrn Dr. August Beranek in den Mampe-Stuben am Kurfürstendamm in Berlin statt.

Herr Dr. Beranek ist österreichischer Staatsbürger und als Korrespondent der „Wiener Volksstimme“, dem Organ der KPÖ[64], in Ostberlin akkreditiert. Er war damals, 1938, der Leiter des Internationalen psychoanalytischen Verlages in Wien, der nach Angaben Herrn Beraneks ebenfalls in der Berggasse, nur wenige Häuser neben dem Domizil Freuds, seine Räume hatte.

Die Zusammenkunft in den Mampe-Stuben kam unter Vermittlung einer Berliner psychoanalytischen Kollegin, Frau G. Kernd’l, zustande, nachdem ich sie darum gebeten hatte, eine solche Zusammenkunft zu arrangieren. Der Schwager Frau Kernd’ls, der Bruder des geschiedenen Ehemannes, selbst Journalist in Ost-Berlin (ich glaube beim „Neuen Deutschland“ für die Sparte Theater und Kunst) hatte ihr zunächst von Herrn Dr. Beraneks Existenz berichtet und dann ein Treffen mit Frau Kernd’l und Dr. Beranek ermöglicht.

Als mir Frau Kernd’l davon erzählte, schlug ich ihr vor, sich doch um ein Zusammentreffen mit Dr. Beranek in West-Berlin zu bemühen. Herr Dr. Beranek war dazu – nach anfänglichem Zögern – bereit, als er von der Kollegin Kernd’l hörte, es würde sich nur um Psychoanalytiker handeln, die sehr daran interessiert seien, von einem unmittelbar Beteiligten von der Ereignissen zu erfahren, die sich im Jahre 1938 bei der Auflösung des Internationalen Psychoanalytischen Verlages in Wien abgespielt haben. Neben Frau Kernd’l und mir selbst waren auch noch zwei jüngere Kollegen anwesend, nämlich ein ehemaliger Kontrollanlysand von mir, Dr. A. Kuchenbuch, jetzt Sekretär der DPV, und Herr H. Beland, ein ehemaliger Lehranalysand von mir, derzeit Leiter des Ausbildungsausschusses (Trainingscommittes) der DPV.

Die Zusammenkunft dauerte 1 ½ bis 2 Stunden und begann um 17 Uhr. Während der Gespräche wurde ein kleiner Imbiß eingenommen, zu dem ich die Teilnehmer eingeladen hatte. Herr Dr. Beranek war im dunkelblauen Anzug, mit schwarzer Hornbrille. Sein Aussehen ist dem von Herrn Honnecker nicht unähnlich; ein Wiener Akzent schwang in seiner Sprache unüberhörbar durch.

Nach anfänglichem lockeren Geplauder griff er ein Stichwort von den Ereignissen um die Enteignung des Internationalen Psychoanalytischen Verlages in Wien, wo er nach eigenen Worten eine leitende und verantwortungsreiche Position innehatte, sofort bereitwillig auf. Er verwies darauf, daß er hierüber zur Zeit des IPV-Kongresses in Wien 1971 in der „Wiener Volksstimme“ einen ganzseitigen Artikel geschrieben habe. (Eine Kopie dieses Artikels hatte ich dem Sigmund-Freud-Archiv noch im Jahre 1976 zugesandt.) Einen Teil seines Berichtes bei der Zusammenkunft in den Mampe-Stuben habe ich in meinem Beitrag der Encyclopädie „Die Psychologie des 20. Jahrhunderts“, die im Kindler Verlag erscheint, wiedergegeben, insbesondere die Intervention von Marie Bonaparte, mit der sie die Bestände des Verlages retten wollte, und die Reise von Dr. Beranek nach Berlin und das Treffen mit Dr. Felix Boehm und Dr. Carl Müller-Braunschweig in Boehms Wohnung [Maetze 1976,1977, S. 343].

In Bezug auf die Person Martin Freuds äußerte Dr. Beranek dann in weiteren Zusammenhang etwa dieses: als feststand, und bekannt wurde, daß Dr. Beranek selbst Wien verlassen müßte, und zwar infolge eines ergangenen Arbeitsverbotes in der „Ostmark“, wie das damals parteioffiziell hieß, sei bei ihm einige Tage vor seiner Abreise Martin Freud mit einem Koffer erschienen und habe ihn gebeten, je bedängt, diesen Koffer doch an sich und mit außer Landes zu nehmen. Offenbar stand zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit und der Termin für die Ausreise der Freud-Familie noch nicht fest.

Dr. Beranek habe sich dann erkundigen wollen, was in diesem Koffer enthalten sei, da er ja mindestens wissen müsste, was er aus Gefälligkeit in diesem Koffer transportieren wolle. Es habe wohl geheißen, es handele sich um irgendwelche wichtigen Akten oder Papiere (Martin Freud war ja wohl Anwalt). Hierüber habe Martin Freud keine Auskunft gegeben und auch nicht geben wollen. Indessen habe Martin Freud begonnen, Geldbeträge für diese Gefälligkeit resp. Dienstleistung anzubieten. Dieses Angebot habe mit einem Betrage von 10.000.- Schillingen begonnen und sich schließlich bis zu 50.000.- Schillingen gesteigert.

Martin Freud habe gegenüber Dr. Beranek unmissverständlich durchblicken lassen, dass er – so sinngemäß – keine Konflikte mit dem neuen Regime hätte und zu haben brauchte, was seine eigenen Auffassungen anlangte. Diese würden den Ideen der Nationalsozialisten gar nicht so fern und feindlich gegenüberstehen. Wenn er nicht der Sohn von Sigmund Freud wäre, was ja bekannt sei, so würde er sicher andere Möglichkeiten haben, sich zu arrangieren und diese Möglichkeiten auch nutzen. So aber gehe dies nicht, und eben aus diesem Grunde bäte er dringend auch um die Mitnahme des Koffers gegen Übergabe eines recht ansehnlichen Geldbetrages.

Dr. Beranek habe dieses Ansinnen jedoch unmissverständlich und mit Entschiedenheit von sich gewiesen. Nach seinem Urteil habe es sich bei dem Ansuchen Martin Freuds um eine üble Angelegenheit gehandelt, die ein Licht auf dessen Einstellung und Charakter geworfen habe. 

 

Artikel in der Zeitung „Neues Österreich“ vom 18. 10. 1945:

 „Sigmund Freuds braunes Leid – Bombennazi Dr. Sauerwald und die Angstpsychose“:

Es geschahen Dinge in Österreich zwischen der Nacht der anbrechenden Hitlertyrannei und dem leuchtend rot aufsteigenden Morgen der sieghaften Befreiung, von denen die Nazi jetzt wohl wollüstig träumen, sie aber ansonsten unter dem Flugsand der Zeit vergraben wissen wollen. Nun, wir wollen das Stundenglas von 1938 umstülpen und die Sandkörner zurückrieseln lassen. Was kommt zum Vorschein?

Ich sehe durch den vom Sand frei werdenden Glasteil einen Zeitungsausschnitt vom 15. Juni 1938, worin steht: „Vor einigen Tagen konnte man die weltbewegende Nachricht lesen, dass Prof. Freud Wien verlassen hat, um sich endgültig in London niederzulassen.“ Es folgte dann eine bissige Bemerkung über die berüchtigte deutsche Kultur, die in Wien ihren Einzug gehalten hat: „Alle, die sich um das Schicksal dieses ‚großen Gelehrten’ Sorgen gemacht haben, der also – entgegen vorhergegangenen Meldungen – nicht in den Konzentrationslagern der Ostmark gevierteilt worden ist, werden als Beitrag für die in letzter Zeit wieder neu aufgeflackerte Greulpropaganda andere Märchen ersinnen müssen. Freud hat man jedenfalls laufen lassen. Man hat ihm in Wien kein Haar gekrümmt...“

Wie großzügig doch die Nazis waren! Da steht es schwarz auf weiß. Doch die Sandkörner im Stundenglas geben wieder mehr Raum frei und es kommt etwas Neues zum Vorschein: Ein roter Ausweis der illegalen Bezirksleitung der NSDAP Alsergrund für den PO-Mann Dr. Anton Sauerwald, Wien XVIII., Witthauergasse 20. Auf dem Rundstempel steht klar und deutlich das Wort: Hitlerbewegung! Der einwandfreie Beweis für die Illegalität.

An dieses federleichte Kärtchen gebettet, das dem Pg. Sauerwald – fächelnd bewegt – in Bälde den Atem nehmen wird (die Funktion des Fächers mit umgekehrter Wirkung) befindet sich seine vom 16. März 1938 datierte Ernennung zum kommissarischen Verwalter des „Internationalen Psychoanalytischen Verlages”, der „Wiener Psychoanalytischen Vereinigung“ und des „Ambulatoriums der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung“.

Damit befinden wir uns bereits mitten in der Darstellung des „Greulmärchens“ über Sigmund Freud, dem doch in Wien kein Haar gekrümmt wurde. Nun, die braunen Banditen handhabten Methoden um einen Menschen zu erledigen, ohne ihm ein Haar zu krümmen. Mit Angst lässt sich vieles erreichen. Pg. Sauerwald war ein Meister im Hervorrufen einer Angstpsychose. Er hatte darin allerdings beträchtliche Übung, ist er doch der Erzeuger jener Bomben, die 1933 in einem Juwelierladen in der Meidlinger Hauptstrasse explodierten und Menschenleben vernichteten. Zum Dank für die Herstellung dieser entseelenden Dinger, wurde er zum kommissarischen Verwalter der Vermögenschaften des großen Seelenforschers Sigmund Freud bestellt. Als solcher setzte er die Seelenforschung mit dem Vorschlaghammer fort.

Und nun mögen alle berechnenden Rechtsanwälte und schlingenwerfenden Paragraphenreiter aus gewissen Ämtern, die zur Wahrung von angeblich verletzten Rechten der Nazi Verwahrung gegen alle Ansprüche von anständigen Österreichern einlegen, die folgenden Zeilen genau studieren:

Pg. Dr. Sauerwald ließ bei Professor Sigmund F r e u d und bei allen seinen Verwandten Hausdurchsuchungen vornehmen, alle Vermögenswerte beschlagnahmen, um sie zur Begleichung der Ansprüche der Gläubiger des „Internationalen Psychoanalytischen Verlages“ zu verwenden; denn diese Gläubiger waren, wie Pg. Sauerwald in seinem Bericht hervorhebt, fast durchwegs „österreichische Arier und Pg.“. Es musste alles abgeführt werden; Effekten im Werte von 59.427.50 Schilling, 72.165 Reichsmark Bargeld, Valuten, Einlagebücher mit Guthaben von etwa 30.000 Schilling, niederländische Papiere in Höhe von 12.000 Hollandgulden. Die größten Aktiva waren die Bücher des Verlages (etwa 15 Waggons) im Werte von rund 3,000.000 Reichsmark, die überwiegend persönliches Eigentum von Sigmund Freud waren. Diese Bücher wurden eingestampft, denn, so schreibt Pg. Sauerwald am 5. August 1938 an den Pg. Walther Rafelsberger: „Erwerbstätigkeit ist ... ausnahmslos im Dritten Reich untersagt, da der Vertrieb und selbstverständlich auch die Erzeugung von psychoanalytischer Literatur für das Deutsche Reich nicht tragbar ist.“

Nein, Seelenforschung war für die Despoten das Dritten Reiches nicht tragbar. Sie hatten Angst vor der aufhellenden Analyse ihrer finsteren Seele. Um jeden Preis musste das Wissen um die inneren Zusammenhänge und die unterbewussten Impulse des Naziverbrechertums von den geknüppelten Herdenmenschen des Kerkers Deutschland ferngehalten werden. An ihre Stelle sollte die geistentleerende Lehre von der Aufzwingung fremden Willens, von der Vermeidung selbstständiger Denkarbeit treten. Auf diesem Gebiet hatte Pg. Sauerwald persönlichen Ehrgeiz. Das beweist der Brief des Bruders des Reichspopanz Hermann Göring vom 24. April 1938 an ihn, den wir nebenstehend teilweise veröffentlichen: 

„Parteigenossen Dr. Ehrlich lasse ich bitten, sich das Buch von Aichhorn ‚Verwahrloste Jugend’ genauer anzusehen ... Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass wir dieses Buch vom Einstampfen ausnehmen können; eventuell müsste das Vorwort von Freud herausgenommen werden.“[65]

Die Nazi stahlen das Rot, die Farbe der Revolution, für ihre Brigantenflagge; sie stahlen Ideen, sie langten mit ihren schmutzigen Fingern selbst in den Halsausschnitt der Frauen, um das letzte Stückchen Gold zu erhaschen, sie raubten geistiges Eigentum selbst von den ihnen so verhassten Juden. Sie zogen die ihnen wehrlos ausgelieferten Opfer bis auf die Haut aus – und zeigten sich selbst dabei in ihrer ganzen scheußlichen Nacktheit.

Pg. Sauerwald plünderte Sigmund Freud bis auf die Knochen aus uns sprach sich sogar gegen die Rückgabe von bei seinem Sohn beschlagnahmten Geldbeträgen an ihn in einem Bericht von 23. März 1938 mit der Begründung aus, dass „die Tätigkeit des Verlages zum großen Teil pornographisch war“. Diese gestriegelten Schweinehunde der Weltgeschichte, die in den Konzentrationslagern unschuldige halbwüchsige Mädchen bei künstlichen Befruchtungsexperimenten zu Tode marterten, erfrechten sich, die in der ganzen Kulturwelt anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse eines Sigmund Freud zu besudeln. Die Lehre Sigmund Freuds wird über das bereits nach zwölf Jahren verendete tausendjährige Reich Hitlers auch noch nach tausend Jahren in aller Sauberkeit triumphieren, während diese Schweine schon im ersten Dezennium vor die Hunde gegangen sind. 

Der Mensch spricht den Tieren die Seele ab. Kann ein Mensch eine Seele sein eigen nennen der zu folgender Grausamkeit fähig war:

So wie Sigmund Freud wurden auch seine nächsten Angehörigen bis aufs Blut ausgesogen. Seine Schwester Rosa Graf musste alle Silber- und Goldgegenstände abliefern. Sie händigte auch alles dem Pg. Sauerwald aus, nur ein Stück erbat sie für sich. Sie schrieb um dessen Freigabe an das Reichswirtschaftsministerium am 27. März 1939: „... In meinem Besitz befindet sich noch eine goldene Brosche. Diese Brosche stellt einen kleinen Bilderrahmen dar und besteht die Fassung aus einem schmalen Goldreifchen. Es ist dies für mich ein sehr teures Andenken, welches die Haare meines Sohnes, geboren 1897, der am 19. Juli 1917 bei Porte Lepozye gefallen ist, enthält und das ich bisher tagaus, tagein als einzigen Schmuck getragen habe. Außerdem befinden sich in dem Medaillon getrocknete Blumen von dem Grabe meines Sohnes...Ich bitte bloß um Belassung dieses Medaillons, das nur geringen Goldwert hat.“

Der Bescheid des Reichswirtschaftsministeriums war selbstverständlich ablehnend. Und der Gemütsathlet Sauerwald nahm auch diese Brosche, dieses herrliche Kleinod der über das Grab dauernden Mutterliebe, in seine gierigen Klauen. Wir wissen nicht, ob die Glut dieser rührenden Mutterliebe sie in seinen Krallen zum Schmelzen gebracht hat. Das Urteil über ihn kann nur lauten: Bestie ohne Seele. Wir empfehlen diesen Brief allen zur ständigen Lektüre, denen die jetzigen „Leiden der Nazi“ das Herz abzudrücken drohen. Dieser erblindete Seelenspiegel wird auch das stärkste falsche Mitleid entlarven.

Inzwischen ist wieder eine Menge Sand durch das Stundenglas gerieselt, der Berg im unteren Teil wächst, die Gegenwart kommt im oberen Teil zum Vorschein. Bei ihrem Anblick kann ich nur sagen: Es geschehen Dinge zwischen der österreichischen Erde und dem grau in grau verhängten Nazihimmel, an denen die Weisheit Wiener Rechtsanwälte aktiv beteiligt ist. 

Als die Rote Armee den Deutschen Herrenmenschen das Herz in die Hosen trommelte und die braungebrannte Seele erbeben ließ, bekam des Pg. Sauerwald mit der Angstpsychose zu tun. Er machte sich auf die angstschweißfeuchten Socken und setzte sich nach Westen ab. In seine Wohnung zog eine anständige Wiener Familie.

Pg. Sauerwald ist nun nach Wien zurückgekehrt - wie so viele hat er die Seelenangst im goldenen Westen bei Butter und Speck abreagiert – und will seine seelenmordende Vergangenheit vergessen machen. Außerdem will er seine Wohnung zurück und es hat sich auch ein gelenkiger Rechtsjongleur gefunden, der sich dafür einsetzt. Am 3. Oktober erhielt die rechtmäßig vom Wohnungsamt eingewiesene Mieterin von Herrn Dr. Franz Petracek, Wien, VIII., Strozzigasse 32/34, nachstehenden Brief::

„Ich habe die Vertretung des Herrn Dr. Anton Sauerwald, Mieter der Wohnung Nr. 49 im Hause XVIII., Witthauergasse 20, übernommen. Wie ich höre, ist Ihnen diese Wohnung vom Wohnungsamt zur vorläufigen Benützung zugewiesen worden. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir eine Abschrift oder zu treuen Händen das Original dieser Einweisung leihweise zur Verfügung stellen könnten.“

Für Herrn Dr. Petracek ist Pg. Sauerwald noch immer der Mieter der Wohnung. Er möchte den Einweisungsschein vom Wohnungsamt sehen; er hat Erfahrung im Auffinden von Lücken, durch die ein Nazi in Wohnungen zurückschlüpfen kann.

Diesmal hat er sich allerdings geirrt; das Sonderhonorar wird nicht zur Auszahlung gelangen. Kurz nach diesem Brief ist nämlich von Berlin ein amerikanischer Offizier nach Wien geflogen. Er sucht den Pg. Sauerwald. Dieser Offizier heißt Harry Freud und ist der Enkel des Professors Dr. Sigmund Freud. Herr Doktor Petracek wird wohl Auskunft geben können, wo sich der braune Halunke verborgen hält.

Das Stundenglas ist abgelaufen. Bruder Hein hält es in der Linken; in der Rechten glänzt die Hippe. Pg. Sauerwald hat allen Anlaß, in die Angstpsychose zurückzufallen. Mag sein, dass auch andre Beteiligte einen Druck in der Bauchgegend spüren, die nicht der Sitz der Seele ist.

Karl Hans Heinz.

 

Thomas Aichhorn, Gentzgasse 125/13, 1180 Wien; thomas.aichhorn@chello.at

 

Quellen:

Anna Freud Papers im Archiv der Library of Congress, Washiongton. 

Archiv der British Psychoanal. Society.

Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek. 

AWPV = Archiv der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 

BAK = Bundesarchiv Koblenz. 

HFP/LoC = Harry Freud Papers im Archiv der Library of Congress, Washington.

MBP/LoC = Marie Bonaparte Papers im Archiv der Library of Congress, Washington.

NAA = Nachlass August Aichhorn; Archiv Thomas Aichhorn, Wien.

NME = Nachlass Max Eitingon, Israelisches Staatsarchiv, Jerusalem.

ÖStA = Österreichisches Staatsarchiv.

SFP/LoC = Sigmund Freud Papers im Archiv der Libraray of Congress, Washington. 

WStLA = Wiener Stadt- und Landesarchiv.

 

Literatur:

Aichhorn Th. (Hg.) (2012): Anna Freud / August Aichhorn „Die Psychoanalyse kann nur dort gedeihen, wo Freiheit des Gedankens herrscht“ Briefwechsel 1921 – 1949. Herausgegeben und kommentiert von Thomas Aichhorn; Redaktion Michael Schröter. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel .

Bonaparte, M. (1947): Myths of War. London: Imago Publishing Co., LTD. 

Freud, M. (1957): Mein Vater Sigmund Freud. Heilberg: Mattes Verlag 1999.

Gay, P. (1987): Freud, eine Biographie für unsere Zeit. Frankfurt am Main: Fischer Verlag 1989. 

Hall, M. G. (1988): The Fate of the Internationaler Psychoanalytischer Verlag. In: Timms, E. & Segal N. (Hg.): Freud in Exile. New Haven und London: Yale University Press, S. 90-103.

Hall, M. G. & Köstner, Ch; Werner, M. (Hg.) (2004): Geraubte Bücher. Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit. Ausstellungskatalog. 

Hall, M. G. & Köstner, Ch. (Hg) (2006): …allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern…Wien, Köln, Weimar: BöhlauVerlag. 

Huppke, A. (1996): Zur Geschichte des Internationalen Psychoanalytischen Verlages. In: Luzifer-Amor, 9. Jg. Heft 18: 7-33.

Maetze, G. (1976,1977): Psychoanalyse in Deutschland. In: Eicke, D. (Hg): Tiefenpsychologie, Bd. 2; Weinheim und Basel: Beltz Verlag 1982: 408-442. 

Marinelli, L. (1995): Zur Geschichte des Internationalen Psychoanalytischen Verlags. In: S. Freud-Museum, Wien (Hg.): Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919-1938. Katalog zur Ausstellung Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919-1938; Sondernummer des S. Freud House Bulletins. 

Marinelli, L. (2009): Psyches Kanon. Zur Publikationsgeschichte rund um den Internationalen Psychoanalytischen Verlag. Wien-Berlin: Verlag Turia+Kant. 

Rothländer, Ch. (2008): Zwischen „Arisierung“ und Liquidation. Das Schicksal der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung nach dem „Anschluss“ im März 1938. In: Luzifer-Amor, 21. Jg., Heft 42: 100-133.

Windgätter, Ch. (2008): Kriegsgewinne für die Seelenkunde. In: Frankfurter Allg. Zeitung, 9. 7. 2008, S. 3. 

Windgätter, Ch. (2009): Ansichtssachen. Zur Typographie- und Farbpolitik des Internationalen Psychoanalytischen Verlages. Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Reprint 372.

 

 

[1] Vgl. Hall 1988; Huppke 1996; Marinelli 1995, 2009; Windgätter 2008, 2009.

[2] Aus dem Nachlass M. Eitingon, Jerusalem

[3] (Jean Martin) Martin Freud (1889-1967), Rechtsanwalt und ältester Sohn Sigmund Freuds, war 1932, im gleichen Jahr, als der Verlag in das Eigentum einer Ges. m. b. H. übergegangen war, von seinem Vater als Geschäftsführer des Verlages eingesetzt worden.

[4] Aus dem Nachlass M. Eitingon, Jerusalem 

[5] 1936 war Freuds 80. Geburtstag

[6] Original: Archiv der British Psychoanal. Society

[7] Aus dem Nachlass M. Eitingon, Jerusalem 

[8] Aus dem Nachlass M. Eitingon, Jerusalem

[9] Schreiben Sauerwalds an die Bezirksleitung der NSDAP Alsergrund zur Weiterleitung an Gauleiter Bürckel vom 28. März 1938 (ÖstA).

[10] 1933 hatte der holländische Verleger Emanuel Querido (1871-1943) Fritz Landshoff (1901-1988) angeboten, eine deutschsprachige Exil-Abteilung in seinem Verlag zu gründen – den Querido Verlag. Dieser Verlag sollte von den Nationalsozialisten verfolgten und verbotenen Autoren eine Publikationsmöglichkeit bieten. Die Bücher des Verlages wurden nicht nur in Holland verkauft, sondern in die ganze Welt (außerhalb des faschistischen Machtbereichs) versandt. Unmittelbar nach der deutschen Besetzung Hollands im Mai 1940 erfolgte die Beschlagnahme und Zerstörung des Verlages durch die Gestapo. Landshoff, der sich zufällig in London befand, gelang es 1943, nach New York zu entkommen. Emanuel Querido fiel 1943 durch Verrat in die Hände der Deutschen. Er wurde zusammen mit seiner Frau Jane Querido-Kozijn am 23. Juli 1943 in Sobibor ermordet.

[11] „If your Verlag bill is a private one I should be inclined to pay it. It would improve their attitude towards Martin to get some foreign Devisen. On the other hand I am trying to find out cautiously whether it would be possible to make a large order (in order to obtain books which would otherwise probably be burned) and set the account against the large sum that the Verlag owes the International Association. They also owe me money for an old loan and probably also you. In this case you might try setting your account against the loan. […] I do not think there is any possibility of restarting the Verlag, which was in any case hopelessly insolvent. The most we might do would be to try to get some books and form an attachment to such a firm as Querido’s in Holland. Naturally we shall do all we can to continue the Zeitschrift though in the worst case we might have to combine it with the Journal into a Dreisprachige Journal” (E. Jones an M. Eitingon, Brief vom 4. 4. 1938; Original: NME). 

[12] A. Bálint an E. Eitingon, Brief vom 27.5.1938; Original: NME.

[13] Salman Schocken (1877-1959) war ein deutsch-israelischer Kaufmann und Verleger. Mit seinem Bruder gründete er eine Warenhauskette. Bereits 1915 war er Mitbegründer der von Martin Buber herausgegebenen zionistischen Zeitschrift „Der Jude“. 1931 gründete er in Berlin den Schocken Verlag; 1934 emigrierte er nach Palästina, wo er die Tageszeitung Ha’aretz kaufte und Mitglied des Verwaltungsrats der Hebräischen Universität wurde. 1949 gelang es ihm 51% der Anteile an den Warenhäusern zurückzuerlangen; 1953 verkaufte er sie an Helmut Horten.

[14] M. Eitingon an M. Bonaparte, Brief vom 23. 5. 1938; Original: MBP/LoC.

[15] Brief Berta Steiners an Anna Freud vom 8. 8. 1947; Original: Anna Freud Papers im Archiv der Library of Congress. 

[16] Vgl.  den Briefwechsel Sauerwald mit M. Bonaparte weiter unten. 

[17] Akt: ÖStA

[18] Berta Steiner und August Beranek waren die nichtjüdischen Verlagsangestellten, die an der Weiterführung bzw. Liquidation des Verlags beteiligt waren. 

[19] Beides dürfte nicht zustande gekommen sein.

[20] Der Brief wurde – ohne Datum – 1945 in einer Wiener Tageszeitung veröffentlicht (Neues Österreich vom 18.10.1945, S. 3; Anhang, NAA)..

[21] A. Sauerwald an A. Aichhorn, Brief vom 7.11.1938; Original: NAA. 

Somit waren Aichhorn zwar die „deutschen Rechte“ an seinem Buch abgetreten worden, noch lagernde Exemplare des Buches aber bekam er nicht.

[22] So stammt z. B. vom 1.Oktober 1938 ein Schreiben des Deutschen Konsulats in Jaffa (Palästina) an Dr. G. Barag: „Betr.: Internat. Psychoanalytischer Verlag, GMBH, Wien. Dieser Verlag teilt mit, dass er an Sie noch eine Forderung von £ 2.18.4 habe. Ich bitte Sie um Mitteilung, ob Sie die Forderung anerkennen und Zahlung leisten wollen. Sollten Sie gegen die Forderung Einwendungen zu machen haben, so wollen Sie diese mitteilen. Ich sehe Ihrer Nachricht gerne im Laufe der nächsten 8 Tage entgegen. Sollte ich innerhalb dieser Frist nichts von Ihnen gehört haben, so darf ich annehmen, dass Sie nicht zahlen wollen und werde dann dem Verlag entsprechend berichten, der anscheinend mit Herrn Dr. Max Eitingon eine Art Bürgschaftsverhältnis hat und sich dann an diesen halten wird, vorbehaltlich dessen Regressansprüche an die Hauptschuldner“ (Kopie: NME). 

Barag schrieb daraufhin an Eitingon: „Anbei erhalten Sie ein Schreiben des Deutschen Konsulats, das mir dieser Tage zuging. […] Da es sich [also] um eine private Bestellung bei dem Verlag handelte, ist die Behauptung Ihrer Bürgschaft hierfür völlig unberechtigt. Wenn ich Ihnen diesen Brief trotzdem sende so ist es weil ich in meiner Antwort an den Konsul möglichst genau den gleichen Standpunkt annehmen möchte wie Sie, bezw. das Institut an das ja auch Forderungen bestehen. Bis zu Ihrer Äusserung und Weisungserteilung hierzu werde ich mich jedenfalls jeglicher Antwort an den Konsul enthalten“ (G. Barag an M. Eitingon, Brief vom 8.10.1938; Original: NME).

Peter Gay schreibt: „…und zusätzlich verlangten sie den Vorrat von Freuds ‚Gesammelten Schriften’ - den Martin Freud umsichtig in die Schweiz geschickt hatte –, um ihn zu verbrennen. Bezeichnender Weise berechneten sie Martin Freud die Kosten für den Rücktransport der Bücher nach Österreich“ (Gay 1987, S. 703). 

[23] Vgl. dazu die Aussage Sauerwalds: „Ich habe durch Interventionen unter schwierigsten Verhältnissen durchgesetzt, dass diejenigen, beim Verlag befindlichen Bücher, welche Ausländern gehörten, von der Vernichtung ausgenommen wurden und die Bewilligung erteilt wurde, diese Bücher ins Ausland an die Eigentümer rückzustellen“ (Akt des Volksgerichtshofprozesses: WStLA). (Vgl. Hall 2004, S. 24).

[24] Aus einem Schreiben des Griechischen Generalkonsulats in Wien geht hervor, dass Marie Bonaparte diese Bücher nie erhalten hat (Griechischen Generalkonsulat an M. Bonaparte, Brief vom 5. 12. 1919; Original: MBP/LoC).

[25] A. Sauerwald an M. Bonaparte, Brief vom 11. 2. 1939; Original: MBP/LoC.

[26] A. Sauerwald an M. Bonaparte, Brief vom 6. 10. 1939; Original: MBP/LoC.

[27] A. Sauerwald an M. Bonaparte, Brief vom 6. 10. 1939; Original: MBP/LoC.

[28] A. Sauerwald an M. Bonaparte, Brief vom 4. 12. 1939; Kopie: MBP/LoC und Brief vom 3. 1. 1940; Original: MBP/LoC.

[29] A. Sauerwald an M. Bonaparte, Brief vom 3. 1. 1940, Original: MBP/LoC.

[30] Über das weitere Schicksal dieser Bücher ist nichts bekannt. Nach Aussage des Berliner Antiquars Zerfaß wurden noch nach Jahren Bücher mit dem Stempel des Internationalen Psychoanalytischen Verlages zum Kauf angeboten (persönliche Mitteilung, Zerfaß an Th. Aichhorn im Juni 2003).

[31] Beweisantrag Sauerwald, zit. nach Hall 2004, S. 24.

[32] Noch im Mai 1941 versuchte René Laforgue – mit Görings Unterstützung – die damals offenbar noch vorhandenen Vorräte seines Buches „Der gefesselte Baudelaire“ zugeschickt zu bekommen (R. Laforgue an M. H. Göring, Brief vom 22. 5. 1941; Original: BAK). In Schreiben vom Juli und September 1941 teilt Göring mit, dass ihm von Berta Steiner, „die mit der Liquitation des Psychoanalytischen Verlages in Wien beauftragt worden ist“, mitgeteilt worden sei, dass sich Laforgue nun entscheiden solle, ob er die Bücher haben wolle und bereit sei die Lagergebühr zu bezahlen, da sie den Lagerraum nun aufgeben müsse (M. H. Göring an Oberstabsarzt Dillenburger, Brief vom 9. 7. und vom 6. 9. 1941; Kopien: BAK). Ob Laforgue schließlich die Bücher erhalten hatte, ist diesem Briefwechsel nicht zu entnehmen.

[33] Im Vorwort zum Katalog der Ausstellung „Geraubte Bücher“ schreibt die gegenwärtige Direktorin der Nationalbibliothek Johanna Rachinger: „Die NS-Zeit war für die Nationalbibliothek die wohl dunkelste und unrühmlichste Epoche ihrer Geschichte. Geleitet von einem fanatischen Nationalsozialisten, Paul Heigl, beteiligte sich die Nationalbibliothek aktiv und in großem Umfang an der systematischen Beraubung vor allem jüdischer BürgerInnen, aber auch anderer Opfer des NS-Regimes“ (Hall et alt. 2004, S. 6). Vorsichtig geschätzt gelangten in der Zeit zwischen 1938 und 1945 mindestens 150 000 Druckschriften und 45 000 Sammlungsobjekte durch Enteignung politisch und rassisch verfolgter Menschen in die Nationalbibliothek. Dazu kommen noch die Objekte, für die die Nationalbibliothek nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in Bibliotheken und Institute des Deutschen Reichs war. Generaldirektor Heigl hatte die besten Beziehungen zur SS, zur Gestapo und zu Mitgliedern der obersten NS-Führungsriege und verstand diese zu nutzen. Aus Heigls Korrespondenz in der Anfangszeit spricht eine gewisse Überforderung. Der Nationalbibliothek seien derartige Mengen an Büchern und Zeitschriften zugegangen, schrieb er, dass deren Unterbringung zu einem schwer lösbaren Problem geworden sei. Im Herbst 1938 erreichte er die Zuteilung dreier Bibliothekare aus Berlin, die er ausschließlich für die „Betreuung“ der beschlagnahmten Bibliotheken einsetzte (nach: Hall et alt. 2004).

[34] Einvernahme Sauerwalds (Akt: WStLA).     

[35] Akt: ÖStA

[36] „Tätigkeitsbericht“ vom 1. 10. 1938; zit. nach Rothländer 2008, S. 130. 

[37] „I wonder very much whether you will get to Vienna still. If you do, will you find out whether there are any books left in the Verlag in Bergasse 7? And see Aichhorn, if possible?” (A. Freud an H. Freud, Brief vom 6. 10. 1945; Original: HFP/LoC). 

[38] Der Rechtsanwalt Alfred Indra schrieb an Anna Freud: „Ich habe seinerzeit Herrn Prof. Dr. Freud vertreten aber auch sämtliche andere beteiligten an diesem Verlag, und erhalte nun von Herrn Dr. Harry Freud, der sich als Mitglied der Interalliierten Militärregierung einige Tage in Wien aufhält, den Auftrag, die auf die Liquidation des Verlages sich beziehenden Korrespondenzen und Dokumente, die sich in der Wohnung des Herrn Dr. Sauerwald befinden, sicherzustellen. Augenblicklich ist in die Wohnung Frau Therese Leidersdorff eingewiesen“ (A. Indra an am 18. 10. 1945; AFP/LoC). 

Indra an Leidersdorff. „Im Auftrage des Herrn Dr. Harry Freud und auf Grund meiner Vollmachten werde ich spätestens zu Beginn der nächsten Woche die Dokumente, Briefschaften und Korrespondenzen, welche die Liquidation des psychoanalytischen Verlages betreffen abholen lassen und in Gewahrsam nehmen“ (A. Indra an Th. Leidersdorff, Brief vom 18. 10. 1945; Kopie: Akt Sauerwald: WStLA). 

Im März 1980 schrieb Berta Steiner an Anna Freud: „Bei meiner letzen Zusammenkunft mit Frau M. Sauerwald, die in Innsbruck lebt, fragte [sie] mich, was sie mit dem Schriftwechsel ihres Mannes, denn er während der Nazizeit mit dem Hause Freud etc. [führte], machen soll. Ich versprach ihr, mich an Sie zu wenden. Soll ich Frau Sauerwald schreiben, bei dem nächsten Besuch die Korrespondenz nach Wien zu bringen, die aufbewahren, bis Sie selbst Wien einen Besuch abstatten“ (B. Steiner an A. Freud, Brief vom 14. 3. 1980; Original: AFP/LoC). 

Ob diese Dokumente noch irgendwo aufbewahrt werden, war nicht herauszufinden.

[39] Im Herbst 1946 war John Rodker tatsächlich in Wien gewesen. 

[40] Marie Bonaparte schrieb über Sauerwald: „I would add that the myth of The Friendly Enemy, like all other myths, does in fact contain a core of reality. Men are thus fundamentally ambivalent and cannot wholly love their friends or hate their enemies. In this connection, I may recall the conduct of Dr. Anton Sauerwald, who, after the Nationalsozialisten entered Vienna was placed in charge of the Freud publishing firm and all matters relating to the Freud family. This Austrian, a professional chemist and convinced National Socialist, a firm believer in the Greater Germany and so, like many Austrians, in the Anschluss, carried out his tasks with much kindness and understanding. He could not evade the order to destroy the stocks of the publishing firm nor that confiscating Freud’s Austrian effects, bit he did spare Freud and his family many personal inflictions. Eventually, when Freud was able to depart for London, thanks to Dr. Sauerwald’s efforts he was able to take with him the things he valued most, his furniture, his library and the whole of his precious collection of antiques. He was even able to get himself accompanied, when he left, by a doctor, Dr. Josefine Stross, as was made necessary by his great age and precarious health. Here was an ‘enemy’ who, doubtless because of his high cultural level, revealed himself as truly ‘friendly,’ though possibly not without danger to himself” (Bonaparte 1947, S. 70). 

[41] Als Anna Freud nach der Verhaftung Sauerwalds von seiner Frau um Hilfe gebeten worden war, schrieb sie: „Meine Eltern und ich haben nie daran vergessen, dass wir Grund hatten, Ihrem Mann in verschiedener Beziehung sehr dankbar zu sein. Wir waren damals in einer sehr gefährdeten Lage und es war kein Zweifel darüber, dass Ihr Mann sein Amt als unser bestellter Kommissar benützt hat, um eine schützende Hand über meinen Vater zu halten. […] Mein Bruder und fast alle unsere Freunde hatten damals Wien schon verlassen, so dass ich ohne Hilfe war, um die Ausreise meiner Eltern und meine eigene zu betreiben. Er hat mich damals zu verschiedenen Ämtern begleitet, um mir Unannehmlichkeiten zu ersparen. Besonders dankbar war ich dafür, dass er sich die größte Mühe gegeben hat, meinem Vater ärztliche Begleitung für die Reise zu sichern. […] Ich wünsche Ihnen und Ihre Mann, dass die jetzige Sorge ohne schwere Schädigung für ihn vorübergeht“ (A. Freud an M. Sauerwald, Brief vom 22. 7. 1947; Kopie im Gerichtsakt Sauerwald: WStLA). Die Schreiben, die Anna Freud und Marie Bonaparte direkt an das Gericht geschickt hatten, sind nicht mehr auffindbar. 

[42] „Thank you very much for your long letter. To my own surprise I find every bit of Vienna news much more upsetting than I had thought possible. One never is as finished with a part of ones life as one imagines to be. I suppose I should know that better than other people. But still, I find it out now. […] I will pass on all the news about the books to Martin and Ernst who are waiting for them very eagerly. Rodker of the Imago Publishing Co. here has offered to go to Vienna on behalf of the Verlag whenever we think that there is sense in it. I suppose you are the only person who is able to judge now whether a British publisher could be of any help in that situation. […] About Sauerwald. I do not know what Martin ever told you about him. But the truth is that we really owe our lives and our freedom to him, since he used his position as Kommissar of the Verlag to protect our personal safety. Without him we would never have got away. It was he who saw to our safe travel, who got Dr. Stross her permit at the last moment so that Papa would not travel without a doctor. But much more than that. I suppose you know that Martin, who was quite beside himself at that time, had kept some very incriminating papers about our affairs in Switzerland in his desk. They were found there, but Sauerwald kept them locked up safely until we were gone. He was really my only friend and stand-by after Martin and all our Jewish friends had left. The Princess always knew and thought the same about him, and she even mentions him in her book about the war which is going to be published now as an example of the ‚friend in the disguise of the enemy’ So nothing should happen to Sauerwald. Or, if he is arrested, all these things should speak in his favour. Papa always said that perhaps one day we could speak in Sauerwald’s favour and thereby repay our dept to him. Even more: after we had left he used to visit the aunts and sit with them very much as you used to do on a Sunday. They were only without protection after he had gone into the army. Can you write about him to Vienna once more? Is that possible? I suppose he could be very useful to help to recover the Verlag things as far as possible. Only I hope he and Martin will never meet again. Martin could not forgive him that he himself was suddenly powerless while Sauerwald had all the power. But he did not misuse his power and very few people are able to withstand such a temptation.” (A. Freud an H. Freud, Brief vom 22. 10. 1945; Original: HFP/LoC).

[43] Vgl. Anhang.

[44] Gerichtsakt Sauerwald: WStLA.

[45] Die Prozesse gegen Sauerwald fanden im Jänner 1949 statt; am 10. 1. 1949 wurde Sauerwald freigesprochen (Gerichtsakt Sauerwald: WStLA).

[46] A. Freud an M. Sauerwald, Brief vom 22. 7. 1947; Kopie im Gerichtsakt Sauerwald: WStLA. 

Die Schreiben, die Anna Freud und Marie Bonaparte direkt an die Behörden in Wien geschickt hatten, waren nicht mehr auffindbar. 

 

[47] Ein diesbezüglicher Brief Federns an Aichhorn ist nicht erhalten.

[48] A. Freud an P. Federn, Brief vom 16. 3. 1946; Kopie: AFP/LoC.

[49] A. Indra an A. Freud, Brief vom 4. 10. 1946; Original: AFP/LoC.

[50] So hatte etwa die Sozialistische und die Kommunistische Partei vorgeschlagen, einen ‚Restitutionsfonds’ einzurichten, wonach nur hilfsbedürftige Opfer des Nationalsozialismus Zahlungen erhalten hätten, ursprüngliche Eigentümer aber nichts zurückbekommen hätten.

[51] K. Zingher an A. Aichhorn, Brief vom 22. 8. 1947; Original: NAA.

[52] A. Aichhorn an K.  Zingher, Brief vom 13. 9. 1947; Kopie: NAA.

[53] K. Zingher an A. Aichhorn, Brief vom 19. 9. 1947; Original: NAA.

[54] Sauerwald an die die Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek, Schreiben vom 12. 8. 1947; Original: Archiv der Nationalbibliothek. 

[55] J. Bick an A. Sauerwald, Brief vom 22. 8. 1947; Konzept: Archiv der Nationalbibliothek. 

[56] A. Sauerwald an A. Aichhorn, Brief vom 10. 2. 1948; Original: NAA. 

[57] Sigmund Freud Copyrights an Dr. Stock (1. 9. 2005): “Dear Dr. Stock, As representative of Sigmund Freud Copyrights and Paterson Marsh Ltd, I hereby authorise you to collect the books formerly belonging to the Internationaler Psychoanalytischer Verlag (list attached) from the Austrian National Library. I also enclose the “Statement of Liability” duly signed. I hope the books con now be released. Yours sincerely Tom Roberts”.

[58] Beranek 1968. Beranek 1971 ist eine fast gleichlautende Version. Mit Dank an Julia Friedrichkeit, die für mich  den Artikel aus dem Katalog kopierte, und an Christiane Rothländer, die mir den Zeitungsartikel besorgte.  

[59] Am 23. 3. 1938 schrieb Martin Freud an die Leipziger Firma F. Volckmar: „Wir bestätigen den Empfang Ihrer werten Zuschrift vom 21. ds. M., nach welcher die auf Ihrem Transitlager befindlichen Vorräte unserer Verlagswerke polizeilich sichergestellt wurden. Wir teilen Ihnen mit, dass unser Verlag inzwischen von einem Kommissär der NSDAP übernommen wurde und verwaltet wird und dass die gesamten Angelegenheiten der Psychoanalyse, darunter auch das Schicksal des Verlages, Gegenstand der Prüfung durch die Behörden ist. Wir nehmen an, dass der Verlag unter arischer Leitung fortgeführt, bezw. liquidiert werden wird. Die übrigen psychoanalytischen Einrichtungen sind bereits treuhändig von der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, die unter der Leitung des Herrn Prof. Dr. H. M. Göring, Berlin, W., Budapesterstrasse, steht, übernommen worden. Wir nehmen demgemäß an, dass auch Ihre werte Firma von Berlin aus bezüglich unserer Verlagsprodukte neue Weisungen erhalten wird. […] Unser seinerzeitiger Beamter, Herr August Beranek, der voraussichtlich von der vorgesetzten Behörde mit der Ordnung dieser Angelegenheiten betraut werden wird, wird sich direkt mit Ihnen in dieser Sache ins Einvernehmen setzen“ (Abschrift; Kopie, mit Dank an R. Lockot).

[60] In einem Bericht über den Internationalen Psychoanalytischen Verlag vom 6. April 1938 schrieb Beranek: „Infolge der geänderten politischen Verhältnisse wird die rascheste Liquidation des Internationalen Psychoanalytischen Verlages notwendig. Der Verlag steht seit 16. März unter der Verwaltung des von der NSDAP eingesetzten kommissarischen Leiters P. G. Anton Sauerwald, der sich um die ordnungsmäßige Abwicklung bemüht. Es besteht weiters der Plan, falls nach Durchführung der Liquidation entsprechende Mittel verbleiben, den Verlag unter neuer Leitung in ein der deutschen Wissenschaft dienendes Unternehmen auf rein arischer Grundlage im Sinne der bestehenden kulturpolitischen Richtlinien umzuwandeln. Für diese Aufgabe wurde von der derzeitigen kommissarischen Leitung der frühere technische Direktor des Verlages, P. G. August BERANEK, in Vorschlag gebracht. […] Im Vordergrund steht ein Projekt, nach welchem die Vize-Präsidentin der Int. Psychoanalytischen Vereinigung, Prinzessin Marie von Griechenland, die gesamten Verlagsbestände zu einem noch durch sachverständige Schätzung bestimmten Preis ankaufen und ins Ausland ausführen würde. Die Kaufsumme würde jedenfalls genügen, um das bisherige Unternehmen liquidieren zu können, es würde sogar darüber hinaus ein Überschuss verbleiben, der eine Fortführung des Verlages auf neuer Grundlage aussichtsreich erscheinen ließe. Die Verhandlungen in dieser Richtung sind allerdings noch nicht abgeschlossen, die Entscheidung dürfte aber in den nächsten Tagen fallen“ (Kopie, mit Dank an R. Lockot).

[61] Zusatz 1: Nach dem gescheiterten Gespräch mit Ramm erhielt ich den Besuch von Marie Bonaparte, die den Versuch machte, das Bücherlager des Verlags mit Beständen im Wert von etwa 1.5 Millionen Schilling zu retten. Wir schlossen einen Kaufvertrag über die errechnete Nettosumme zum Buchhandelspreis. Der Betrag sollte am nächsten Tag nach dem Abtransport der Bestände auf das exterritoriale Gelände der griechischen Gesandtschaft, in der Marie Bonaparte als Prinzessin von Griechenland auch wohnte, ausgehändigt werden. Doch es war zu spät. Am nächsten Morgen, noch ehe ich mit Dr. Sauerwald sprechen konnte, der später das Scheitern des Plans ehrlich bedauerte, fuhren auf Weisung von Dr. Ramm, begleitet von einer SA-Eskorte unter Führung jenes Unterscharführers Schmidt, Lastkraftwagen vor, auf denen nach Vorlage des Beschlagnahmebefehls das ganze Bücherlager zur Makulierung abtransportiert wurde. (Der Güterzug, der es in die Steiermark zur Papiermühle bringen sollte, wurde im Murtal [ein Flusstal in der Steiermark] ein Opfer der Frühjahrsüberschwemmung und erreichte nie sein Ziel (nach einer handschriftlichen Notizen Beraneks vom Januar 1971; AWPV).

[62] Zusatz 2: Bei der Abfassung dieses Rückblicks im Jahre 1968 war mir das erfreuliche Wiedererstehen der Wiener Psychoanalyse in der Sigmund-Freud-Gesellschaft noch nicht bekannt [Beranke verwechselt hier – in einer für Wien nicht untypischen Art – die 1968 gegründete Sigmund Freud Gesellschaft mit der durch Aichhorn bereits 1946 wiedereröffneten Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (nach einer handschriftlichen Notiz Beraneks vom Januar 1971; AWPV).

[63] Original: SFP/LoC.

[64] Kommunistische Partei Österreichs.

[65] Der in dem Zeitungsartikel abgedruckte Brief (o. D.):

„Sehr geehrter Parteigenosse Sauerwald! 

Zunächst sage ich Frau Steiner, Herrn Beranek und Ihnen herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme, die ich in Ihrem Kreis gefunden habe. Mir ist noch zweierlei eingefallen:

  1. Parteigenosse Dr. Ehlich lasse ich bitten, sich das Buch von Aichhorn, Verwahrloste Jugend genauer anzusehen und mir ein Exemplar schicken zu lassen. Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, dass wir dieses Buch vom Einstampfen ausnehmen können; ev. müsste das Vorwort von Frued (verbessert Freud) herausgenommen werden.

2. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir Geld bekommen, um 

II.        einige Wiener Aerzte ausbilden zu können. Kosten etwa 6000 M.

Wir müssen bedenken, dass ein Psychotherapeut einen unabsehbaren Einfluss unbemerkbar ausübt. Ich glaube, dass in Wien auch in arischen Kreisen noch jüdischer Einfluss zu verspüren ist, ohne dass die Menschen es selbst wissen. 

H e i l  H i t l e r !

Ihr 

M. Göring