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September 1932 bis Juli 1934: Berliner Psychoanalytisches Institut

Bericht der Internationalen Unterrichtskommission
 
Berliner Psychoanalytisches Institut 
September 1932 bis Juli 1934

 
1. Bewegung der Hörerzahl.
2. Arbeit in den Seminaren.
3. Die Ausbildungskandidaten.
4. Lehr- und Kontrollanalytiker.
5. Unterrichtsausschuß.
7. Zahl der poliklinischen Patienten.
 
1. Hörerzahl

Die Einwirkung der veränderten äußeren Verhältnisse und des Weggangs einer Reihe prominenter Lehrkräfte (siehe 6) zeigte sich am stärksten in dem Absinken der Zahl der Hörer des Institutes. Die absolute Hörerzahl, die im Jahre 1932 im Durchschnitt der drei Quartale etwa 130 pro Quartal betrug, zeigte 1933 im Durchschnitt etwa 63, und zeigt für die ersten beiden Quartale 1934 ein weiteres Absinken.
Eine Übersicht über die Hörerzahlen ab Quartal Oktober bis Dezember 1929 ergibt die folgende Tabelle: 

              Absolute Hörerzahlen

Jahr Jänner-März April-Juni Oktober-Dezember
1929 - - 116
 1930 118 83  153
 1931  132  111  222
 1932  164  107  138
 1933  104  64  39
1934  34  32  -


2. Arbeit in den Seminaren

Das Absinken der Zahl der Hörer der Institutskurse hat auf die Intensität der Arbeit in den einzelnen Kursen keinen Einfluß. Von dem Absinken der Hörerzahl sind im übrigen wesentlich nur die Vorlesungen, in denen außer den Ausbildungskandidaten auch andere als Hörer teilnehmen dürfen, betroffen. In den Seminaren, in denen von jeher das Schwergewicht der Ausbildung lag, ist die Zahl der Teilnehmer bereits immer beschränkt gewesen und daher der Rückgang der Teilnehmerzahl nicht auffällig. Das Interesse und der Fleiß der Teilnehmer sind ausgezeichnet, es wird intensiv gearbeitet, sowohl in den technischen Seminaren (in denen die praktischen Fälle der Ausbildungskandidaten besprochen werden) als in den Seminaren über Freuds „Schriften zur Technik“, über Freuds „Theoretische Schriften“, über die „Krankengeschichten“ und die „Drei Abhandlungen“, als auch in den pädagogischen Seminaren und in dem von den Herren Boehm und v. Sydow geleiteten ethnologischen Seminar.

3. Die Ausbildungskandidaten
Die Zahl der Ausbildungskandidaten ist von 34 im Herbst 1932 über 23 im November 1933 auf 18 im Juli 1934 gefallen. Die Zahl von 18 bedeutet unter den obwaltenden Verhältnissen eine immer noch respektable Größe.
Unter den 18 Ausbildungskandidaten der Liste vom Juli 1934 befinden sich noch 4 Ausbildungskandidaten der Liste vom Herbst 1932.

Im Jahre 1933 und im Jahre 1934 (bis Juli) sind insgesamt 14 neue Kandidaten in Ausbildung genommen worden, davon 9 im Jahre 1933 und 5 im 1. Halbjahr 1934.
Die Zahl der Lehr- und Kontrollanalysen ergibt sich aus folgender Tabelle:

 

Herbst 1932 November 1933 Juli 1934
Gesamtzahl der Kandidaten 34 23 21
davon in Lehranalyse  20  11  16
in Kontrollanalyse  21  16  1ß

 
4. Lehr- und Kontrollanalysen
An Lehr- und Kontrollanalytikern sind zwischen dem Wiesbadener und dem Luzerner Kongreß durch Weggang aus Deutschland ausgeschieden: Bernfeld, Eitingon, Fenichel, Hárnik, Reik, Simmel. Über die bisherigen Lehr- und Kontrollanalytiker Boehm und Müller- Braunschweig hinaus sind neu mit der Durchführung von Lehranalysen und Kontrollanalysen betraut worden:

Frau Benedek, Frau Jacobssohn, Frau Kempner, Frau Vowinckel.
 
5. Der Unterrichtsausschuß
Aus dem Unterrichtsausschuß schieden während der Berichtszeit die gleichen wie unter 4 erwähnten Namen aus. In der Jahresversammlung vom 18. November 1933 wurden zu dem einzigen zurückbleibenden Mitglied des Unterrichtsausschusses neu hinzugewählt: Boehm und Frau Vowinckel. Müller-Braunschweig wurde zum Vorsitzenden bestimmt. Kooptiert wurden Frau Benedek und Frau Jacobssohn.
 
6. Die Bewegung der Dozentenschaft seit dem September 1932

Aus der Dozentenschaft schieden seit dem September 1932 aus:
Bernfeld (nach dem Quartal Oktober–Dezember 1932); Steff Bornstein (nach dem Sommerquartal 1933);
Eitingon (nach dem Sommerquartal 1933);
Fenichel (nach dem Sommerquartal 1933);
Hárnik (nach dem Quartal Jänner–März 1933);
Jeanne Lampl-de Groot (nach dem Sommerquartal 1933);
Reik (nach dem Quartal Oktober–Dezember 1932);
Reich (nach dem Quartal Jänner–März 1933); Simmel (nach dem Sommerquartal 1933);
Staub (nach dem Quartal Jänner–März 1933).
Das Ausscheiden von Alexander (1930), Radó (1931), Horney, Sachs aus der Dozentenschaft fällt vor die Berichtszeit.
Neu zur Dozentenschaft hinzugezogen wurden:

Kemper, Mette, Ada Müller-Braunschweig, v. Sydow (als Gast), Vowinckel.
Zusammen mit dem früheren Bestand an Dozenten, den Herren Boehm und Carl Müller-Braunschweig verfügt das Institut derzeit über 7 Dozenten gegenüber 12 vom September 1932.
 
7. Zahl der poliklinisch behandelten Patienten
Im erfreulichen Gegensatz zu dem Absinken der Hörerzahl scheinen die veränderten Verhältnisse so gut wie keinen Einfluß auf die Nachfrage nach therapeutisch- psychoanalytischer Behandlung zu haben. Der Durchschnitt der gleichzeitig laufenden, von den Mitgliedern der D. P. G. und den Ausbildungskandidaten behandelten poliklinischen Fälle während der Jahre 1920–1930 betrug 72, die Zahl der im Juli 1934 behandelten Fälle 65. Diese Zahl liegt kaum nennenswert unter dem Durchschnitt. Die kaum veränderte Nachfrage nach analytischer Behandlung trotz so wesentlicher Veränderung der äußeren Verhältnisse ist wohl ein erfreuliches Anzeichen davon, wie sehr bereits das Vertrauen des Publikums in die therapeutische Wirksamkeit der Psychoanalyse Wurzel gefaßt hat.
Die Sprechstunden in der Poliklinik werden abgehalten Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von den 4 Kollegen Boehm, Frau Fuhge, Frau Vowinckel, Witt, von denen jeder einen der 4 Tage übernimmt.
 

IV. Quartal 1933
 
I. Vorlesungen

Carl Müller-Braunschweig: Einführung in die Psychoanalyse, I. Teil, 6 Stunden, Hörerzahl 15.
Edith Vowinckel: Spezielle Neurosenlehre, II. Teil (Perversionen, Charakterstörungen, narzißtische Neurosen, Psychosen, Süchte), 6 Stunden, Hörerzahl 8.
Eckart von Sydow (a. G.): Allgemeine Einführung in die Völkerkunde, II. Teil: Kunst und Gesellschaft der Naturvölker (mit Lichtbildern), 6 Stunden, Hörerzahl 11.
 
II. Seminare, Übungen, Arbeitsgemeinschaften

Felix Boehm: Seminar: Fehlhandlungen, Traum (Teilnahme ohne Einschränkung), 6 Doppelstunden, Hörerzahl 17.
Carl Müller-Braunschweig: Freud-Seminar: Theoretische Schriften, I. Teil. Nur für Ausbildungskandidaten und für Hörer mit Empfehlungskarte. 3 Doppelstunden, Hörerzahl 14.
Felix Boehm: Technisches Seminar. Nur für Ausbildungskandidaten. 3 Doppelstunden, Hörerzahl 7.
Praktisch-therapeutische Übungen (Kontrollanalysen). Nur für Ausbildungskandidaten.
Eckart von Sydow und Felix Boehm: Ethnologische Arbeitsgemeinschaft. 4 Doppelstunden. Für Fortgeschrittene. Beschränkte Teilnehmerzahl. Hörerzahl 21.
Carl Müller-Braunschweig: Pädagogisches Seminar. 3 Doppelstunden. Hörerzahl 19.

I. Quartal 1934
 
I. Vorlesungen

1. Edith Vowinckel: Einführung in die Psychoanalyse, II. Teil (Allgemeine Neurosenlehre).
2. Carl Müller-Braunschweig: Psychoanalytische Technik.
3. Eckart v. Sydow (a. G.): Probleme der psychoanalytischen Ethnologie.
 
II. Seminare, Übungen, Arbeitsgemeinschaften
4. Werner Kemper: Freud-Seminar: „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie.“
5. Felix Boehm: Freud-Seminar: Krankengeschichten, I. Teil.
6. Carl Müller-Braunschweig: Freud-Seminar: Theoretische Schriften, II. Teil.
7. Praktisch-therapeutische Übungen (Kontrollanalysen).
8. Eckart von Sydow und Felix Boehm: Ethnologische Arbeitsgemeinschaft.
9. Ada und Carl Müller-Braunschweig: Pädagogisches Seminar. 
 
II. Quartal 1934
 
I. Vorlesungen

Edith Vowinckel: Spezielle Neurosenlehre, I. Teil. Übertragungsneurosen (Hysterie, Phobie, Zwangsneurose und Aktualneurose). 7 Stunden, Hörerzahl 8.
Alexander Mette: Aus der Psychologie des Tragischen und Dionysischen. 6 Stunden, Hörerzahl 4.
 
II. Seminare, Arbeitsgemeinschaften, Übungen
Werner Kemper: Freud-Seminar: Krankengeschichten, II. Teil. 7 Doppelstunden, Hörerzahl 9.
Carl Müller-Braunschweig: Freud-Seminar: Schriften zur Technik. Vierzehntägig, Hörerzahl 7.
Felix Boehm: Seminar über Karl Abrahams „Klinische Beiträge zur Psychoanalyse“. 7 Doppelstunden, Hörerzahl 7.
Felix Boehm: Technisches Seminar. (Nur für Ausbildungskandidaten.) Vierzehntägig, Hörerzahl 5.
Praktisch-therapeutische Übungen (Kontrollanalysen). Nur für Ausbildungskandidaten.
Ethnologische Arbeitsgemeinschaft (Eckart von Sydow und Felix Boehm). Vierzehntägig, Hörerzahl 10.
Referate über neuere – psychoanalytische und nichtpsychoanalytische – pädagogische Literatur (Ada Müller-Braunschweig). Vierzehntägig, Hörerzahl 11.
Pädagogisches Seminar (Ada Müller-Braunschweig). Vierzehntägig, Teilnehmerzahl 9.
Pädagogische Arbeitsgemeinschaft (Carl Müller-Braunschweig). Vierzehntägig, Hörerzahl 10.

Quelle: IZP, XXI, 1935, 310-313 (CD-Bearbeitung Michael Giefer)
Redaktion CD, 25.7.2012 (Absatz-Formatierung und Hervorhebungen leicht geändert)