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1911 Weimar - III. Interationaler Psychoanalytischer Kongress

Gliederung:
I. Zusammenfassung
II. Quellen, Literatur, Editorisches zum Korrespondenzblatt 1910-1941 der IPV
III. Bericht über den Kongress im
CZ / II / 1912


I. Zusammenfassung

In den Kongresssberichten ist nichts über die lokalen und internationalen Konflikte und Spannungen zu lesen. 

Gründungen von Ortsgruppen zwischen Nürnberg und  Weimar:
Berlin, 24. März 1910: 9 und 1911:  12 Mitglieder, Vorsitz Dr. Abraham
Wien, April 2010: 24 und 1911: 38 Mitglieder,Vorsitz Dr. Adler
Zürich, Juni 1910: 19 und 1911: 29 Mitglieder,Vorsitz Dr. Binswanger
New York, 1911: 21 Mitglieder, 1911: Vorsitz Dr. A.A. Brill
München März 1911 / 1. Mai 1911: 6 Mitglieder, Vorsitz Dr. Seif
IPC 1910: 52 und 1911 106 Mitglieder
Jones gründete 1912 in Nordamerika eine 2.  „General Association“ - die American Psychoanalytic Association

IZP / I / 1913 / 302: Der nächste (private) Kongreß der Internationalen
psychoanalytischen Vereinigung wird am 7. und 8. September 1913 in
München stattfinden.


II. Quellen, Literatur, Editorisches zum Korrespondenzblatt der IPV 1910-1941

Zur Geschiche des Tagungsores Hotel Erbprinz, Weimar - dem Bachhaus, in dem Bach  siehe: http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.bachhausweimar.de

Siehe dazu die Literaturhinweise bei den edittorischen
Hinweisen zum Korrespondenzblatt und zu dessen psyalpha-Bearbeitung
unter:

IPV-Korrespondenzblatt 1910-1941: Editorische Anmerkungen, Quellen, Literatur


III. Bericht über den Kongress im Korrespondenzblatt

CZ / II / 1912 / 100-105
Aus Vereinen und Versammlungen.
Bericht über den III. Psychoanalytischen Kongress in Weimar am 21. und 22. September 1911

von Otto Rank (Wien).

I. Professor James J. Putnam (Boston): Über die Bedeutung der Philosophie für die weitere Entwicklung der Psychoanalyse.
Redner
hebt als nächste Aufgabe der psychoanalytischen Forschung, die bis
jetzt vorwiegend therapeutische Ziele verfolgte, die Beschäftigung mit
dem normalen Seelenleben, das Aufsuchen der Urquellen des Denkens,
Fühlens, Handelns im gesunden Menschen hervor. Zwar wurden bereits die
Erfahrungen und Einsichten aus der Kindheit des Einzelnen auf die
Kindheit der primitiven Völker übertragen und wenn auch den
Kinderwünschen zweifellos eine ungeheuere Wirkung zukomme, so haben
doch die Regungen der erwachsenen Seele gleichfalls ein Anrecht in
Betracht gezogen zu werden: die ethischen Gefühle, welche sich mächtig
in die tiefen Seelenregungen einmengen, und das logische Denken; dabei
wird insbesondere auf Hegels Logik hingewiesen, deren tiefer
Wahrheitsgehalt sich immer wieder aufs Neue erweist. Schließlich betont
Redner, daß er damit das Unbewußte keineswegs ausschließen möchte,
vielmehr meine, man dürfe sich im Handeln auf die uns vertraut
gewordenen Regungen des Unterbewußtseins verlassen.

II. Professor Dr. E. Bleuler (Zürich-Burghölzli): Zur Theorie des Autismus.
Von
Freuds „Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen
Geschehens“ (Jahrbuch III/1) ausgehend, präzisiert Redner seinen in
Bezug auf den psychologischen Zusammenhang dieser Dinge etwas
abweichenden Standpunkt. Dem Freudschen Begriff des Lustprinzips, der
zu enge erscheine, wird das autistische Denken gegenübergestellt und
als dessen Gegensatz das realistische Denken (Freuds Realitätsprinzip)
bezeichnet. Insbesondere betont Redner seine abweichende Auffassung der
phylogenetischen Stellung des autistischen Denkens, das nach ihm eine
spät erworbene Funktion sei, während Freud sie als Rest einer primären
Arbeitsweise des psychischen Apparats auffasse. Es werden schließlich
die Unterschiede zwischen realistischem und autistischem Denken
hervorgehoben, sowie auf die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des
letzteren im Seelenleben hingewiesen.

III. Dr. J. Sadger (Wien): Über Masturbation.
Redner führt die ungeheuere Verbreitung der Masturbation auf drei Hauptgründe zurück:
1. die Allgemeinheit und Intensität der Geschlechtsempfindung überhaupt;
2. Ihre besondere Eignung als allzeit parates Ausdrucksmittel für jegliche Art von Sexualgenüssen und
3. ihre Wirkung als Trost- und Beruhigungsmittel.
Die
wahre Bedeutung erhalte die Masturbation nicht durch das periphere Tun,
sondern durch die begleitenden Gedanken und Vorstellungen (Phantasien).
Aus der Verzweiflung über die Unrealisierbarkeit dieser (Inzest-)
Phantasien erklären sich auch die schweren Depressionszustände, von
denen der masturbatorische Akt oft gefolgt ist, wie man anderseits der
Depression scheinbar durch den peripheren Akt entrinnen kann, weil
einen die Phantasien aus der unbefriedigenden Gegenwart in die
lustvollste Kindheitszeit zurückführen. Die letzten Bedingungen der
Selbstbefriedigung wurzeln in der Säuglingspflege mit ihren notwendigen
Reizungen der äußeren Genitalien durch die Pflegepersonen. Ob man dem
Kind die Masturbation abgewöhnen kann, hängt von seiner Konstitution
und den Fähigkeiten der Eltern ab; das Kind gibt diese Lustquelle nur
aus Liebe zu jemand auf. Die Abgewöhnungsmittel, die nur auf das
Exekutive gerichtet sind, müssen unwirksam bleiben; nur durch Eingehen
auf die begleitenden Phantasien ist eine therapeutische Wirkung
möglich. Jede habituelle Masturbation hat zwangsartigen Charakter, ist
die einfachste Form einer Zwangshandlung.

IV. Dr. Karl Abraham (Berlin): Die psychosexuelle Grundlage der Depressions- und Exaltationszustände.
In
fünf analysierten Fällen konnte Redner die Ähnlichkeit im Aufbau der
Depressionszustände und der Zwangsneurose konstatieren. In allen Fällen
nahm die Depression ihren Ausgang von einer die Liebe paralysierenden
Hasseinstellung und auch die Unfähigkeit, sich für die hetero- oder
homosexuelle Einstellung zu entscheiden, fand sich regelmäßig. Ferner
zeigte sich der Anteil des Projektionsmechanismus bei manischen
Patienten. Der Gedanke: ich kann die Menschen nicht lieben, ich muß sie
hassen, wird verdrängt und nach außen projiziert in der Form: die
Menschen können mich nicht lieben, sie müssen mich hassen und darum bin
ich unglücklich. Damit ist die eigentliche Liebesunfähigkeit beseitigt
und wird vermittels einer falschen Verknüpfung auf irgend eine geistige
oder körperliche Minderwertigkeit geworfen. Von hier aus ergeben sich
Einblicke in die Psychogenese der Rachephantasien (Richard III), aus
denen die Schuldgefühle des Patienten stammen, anderseits ihre
wahnhaften Selbstvorwürfe, hinter denen sich der Wunsch verbirgt, ein
Verbrecher großen Stils zu sein. Auch auf das masochistische Genießen
des Depressionszustandes wird hingewiesen, der so einen versteckten
Lustgewinn liefert. Manisches und depressives Stadium stehen unter der
Herrschaft der gleichen Komplexe. Die Manie bricht aus, wenn die
Verdrängung nicht mehr Stand hält und ihre Lustgefühle stammen aus der
frei werdenden Hemmungsersparnis. Die Ideenflucht ermöglicht das
Hineingelangen in einen anderen lustvollen Vorstellungskreis.

V. Dr. S. Ferenczi (Budapest): Einige Gesichtspunkte zur Frage der Homosexualität.
Nachdem
der Redner kurz zusammengefaßt hat, was die Psychoanalyse bisher über
die Genese der Homosexualität ergeben hat, kommt er zu dem Schluß, daß
weder der Gesichtspunkt der allgemeinen Bisexualität, noch das frühe
heterosexuelle Stadium später homosexuell Gewordener, noch endlich die
narzissistische Einstellung darüber Aufschluß
gebe, wie ein
Individuum dazu komme, manifest homosexuell zu bleiben. Man müsse von
der echten Inversion, die zweifellos durch konstitutionelle Momente
bedingt sei, eine Objekthomosexualität unterscheiden. Im Gegensatz zum
echt Invertierten, der einenumgekehrten Ödipuskomplex entwickelt, hat
der Objekthomosexuelle einen zu starken normalen Ödipuskomplex, vor dem
er flüchtet. Diese Homosexuellen suchen nicht die Liebe des Mannes,
sondern flüchten vor der Liebe zur Frau; sie sind nicht Invertierte
(Perverse), sondern Zwangsneurotiker. Die Normalen sind den umgekehrten
Weg gegangen; sie haben auf die Homosexualität ganz verzichtet und sind
zu Zwangsheterosexuellen geworden.

VI. Dr. H. Koerber (Berlin): Über Sexualablehnung.
An
der Hand eines Falles eines 24jährigen Mädchens, das an Anorexie und
Dyspepsie litt und seit 2 Jahren verlobt, stets vor der Heirat
zurückschreckt, wird gezeigt, daß die kulturellen Hemmungen und
Erlebnisse durchaus nicht hinreichen, um die Ablehnung genetisch zu
deuten. Vielmehr ist es die allzustarke Verankerung im Familienkomplex,
welche den später zu bewußter Betätigung drängenden Sexualtrieb
jedesmal an der Schwelle schon abweist. Dabei kann das Überwiegen eines
Partialtriebes oder der Autoerotismus unterstützend hinzutreten. Die
Aufhebung der Sexualablehnung auf psychoanalytischem Wege angelt in der
Möglichkeit, die Pat. aus dem Familienkomplex zu lösen und in diesem
Sinne sind die Verwandtenehen vielleicht als Selbsterlösung von der
Sexualablehnung anzusehen. Die Sexualablehnung, die sich psychologisch
durch ein Steckenbleiben im Familienkomplex erklärt, schrumpft als
Sexualverdrängung zu einem Teilproblem der Verdrängung überhaupt
zusammen. Von hier aus erklärt sich auch ihre Weiterwirkung ins
Biologische hinein.

VII. Dr. Hanns Sachs (Wien): Die Wechselwirkungen zwischen Psychoanalyse und den Geisteswissenschaften.
Die
Psychoanalyse tat den ersten Schritt auf dem Gebiete der
Geisteswissenschaften, als ihre Technik auf die biographischen
Mitteilungen und die Werke berühmter Dichter angewendet wurde. Eine
engere Beziehung entstand, als sich in Sitte und Sprache, Brauch und
Religion die Bestätigung der durch die Analyse beim Träumer und
Neurotiker gefundenen Resultate nachweisen ließ. Durch systematische
Berücksichtigung des Unbewußten, das bei allen diesen Erscheinungen
schöpferisch tätig war, und durch die Kenntnis seiner Ausdruckstechnik
müssen sich auf zahlreichen Gebieten, wie Etymologie,
Religionswissenschaft, Kunst- und Literaturgeschichte, Ästhetik,
Folklore, Kultur- und Sittengeschichte, Philosophie, wertvolle
Erkenntnisse zu tage fördern lassen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit
werden einige Probleme aufgezählt, deren Behandlung besonders
wünschenswert und Erfolg versprechend erscheint. Zum Schluß ergeht die
Mitteilung, daß zur gründlichen und einheitlichen Bearbeitung dieser
hochwichtigen Wissensgebiete die Gründung einer Zeitschrift geplant
ist, deren ausschließliche Aufgabe die Pflege der Anwendung der
Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften sein soll. Als Redakteure
sollen Herr Otto Rank und der Vortragende fungieren, das Amt des
Herausgebers zu übernehmen hat sich Herr Professor Freud bereit
erklärt. (Autor-Referat.)

VIII. Prof. Dr. S. Freud (Wien): Nachtrag zur Analyse Schrebers (Jahrbuch III/1).
Ein
in der Publikation unaufgeklärt gebliebenes Detail der Wahnbildung, das
Schrebers Verhältnis zur Sonne betrifft, wird auf den Vaterkomplex
zurückgeführt und als mythologisch bedeutsam erwiesen. Es handelt sich
um Schrebers Behauptung, daß er ungeblendet in die Sonne blicken könne,
ein Vorzug, den die Alten nur einem einzigen Tiere, dem Adler,
einräumten, der seine Jungen auf die Weise einer Probe ihrer echten
Abstammung von der Sonne unterzogen haben soll, daß sie ohne zu
blinzeln in die Sonne sehen mußten. Das menschliche Vorbild dieses
Brauches findet sich bei den Kelten, welche die Echtheit der Abstammung
vom Rhein erprobten, indem sie ihre Kinder dem Fluß überließen; und
afrikanische Stämme, welche sich der Abkunft von Schlangen rühmen,
setzen ihre Kinder dem Biß dieser Tiere aus, um so ihre Echtbürtigkeit
zu prüfen. Diese Ordalien ruhen auf einem Gedankengang, der dem
Totemismus angehört, und den man so aus drücken kann, daß der Totem
(der Ahnherr) seinem Abkömmling nichts tut. Wenn also der Adler ein
Kind der Sonne ist, so muß sich das darin zeigen, daß die Sonne ihm
nichts tut. Schreber hat also einfach mit seiner Behauptung,
ungeblendet in die Sonne blicken zu können, den mythologischen Ausdruck
für sein Kinderverhältnis zur Sonne wieder gefunden und bestätigt uns
so, daß die Sonne nur ein Symbol des Vaters ist.
Es erweist hier
Jungs Satz seine volle Berechtigung, daß die mythenbildende Kraft der
Menschheit nicht erloschen ist und sich unter den Bedingungen der
Neurose wieder geltend macht. Aber auch die religionsbildenden Kräfte
der Menschheit sind nicht erloschen und kommen bei den Neurotikern,
insbesondere bei den Zwangskranken, immer wieder zum Vorschein (vgl.
Zwangshandlungen und Religionsübung, Kleine Schriften II.). Hier wäre
eine Anknüpfung an das uralte System des Totemismus gegeben.  Wir
finden also in Traum und Neurose nicht nur das Kind mit seinen Impulsen
weiterlebend, sondern auch – nach dem biogenetischen Grundgesetz – den
wilden und den primitiven Menschen.

IX. Dozent Dr. C. G. Jung (Zürich): Beiträge zur Symbolik.
Ausgehend
von dem Gegensatz, in welchem die hysterischen Phantasien zu denen der
Dementia praecox stehen, wird darauf hingewiesen, daß zum Verständnis
der letzteren historische Parallelen herangezogen werden müssen, da bei
der Dementia praecox der Kranke an Reminiszenzen der Menschheit leide.
Seine Sprache benütze im Gegensatz zur Hysterie alte und
allgemeingültige Bilder, die uns merkwürdigerweise zunächst doch
unverständlich seien. An dem Fall einer 34jährigen Neurotica wird nun
gezeigt, wie eine rezente Phantasie durch historisches Material belegt
und verständlich gemacht werden kann. Die Phantasie der Pat., die das
Aufhängen eines ihr unerreichbaren geliebten Mannes an den
Geschlechtsteilen zum Inhalt hatte, und die sich auch bei einem
9jährigen Knaben als symbolischer Ausdruck seiner unbefriedigten Libido
(Hangen und Bangen in schwebender Pein) fand, ergibt mit entsprechenden
ethnologischen Überlieferungen und mythologischen Parallelen von dem
durch Hängen oder Schinden geopferten Frühlingsgott zusammengehalten
den Sinn einer Opferung der Sexualität, an der man hängt, von der man
nicht loskommen kann und die in den alten Kulten als Phallusopfer der
großen Mutter dargebracht wurde.

X. Otto Rank (Wien): Über das Motiv der Nacktheit in Dichtung und Sage.
Es
werden einige in Dichtung und Sage typisch wiederkehrende
Verdrängungsformen des Nacktheitsmotives aufgezeigt, die entsprechend
der ihnen zugrunde liegenden Perversionsneigung der Exhibition in zwei
Gruppen zerfallen. 1. Als Verdrängungsform der Schaulust erscheint
subjektiv das Motiv der Blendung (Godiva), objektiv das Motiv der
Unsichtbarkeit (Melusine) als Strafe für den verpönten Anblick der
Nacktheit. Auf den Schaulustigen übertragen wird das Motiv der
Unsichtbarkeit anderseits zur Wunschphantasie, welche wieder der
Befriedigung der Schaulust dient (Gyges). 2. Als Verdrängungsform der
eigentlichen Exhibitionsneigung, der Zeigelust, erscheint das Motiv der
Hemmung (Nacktheitsträume), objektiviert als Fesselung, welche die
schamhafte Flucht vereitelt und endlich das Motiv der körperlichen
Entstellung, welche den ursprünglich lustvollen Anblick des entblößten
Körpers abscheuerregend macht.

XI. Dr. Poul Bjerre (Stockholm): Zur Radikalbehandlung der chronischen Paranoia.
Eine
unverheiratete Frau von 53 Jahren suchte mich Mitte Dezember 1909 wegen
einer Struma auf. Es kam an den Tag, daß sie seit zehn Jahren einer
Verschwörung ausgesetzt war, die von einem Frauenbund in Stockholm
geleitet wurde, und die über ganz Europa verbreitet war. Dieses
unerschütterlich fest organisierte Wahnsystem wurde aufgelöst. Eine
vollständige Heilung mit Krankheitseinsicht trat im Frühjahr 1910 durch
die Bloßlegung einiger Identifizierungsprozesse ein und besteht noch
ohne jede Spur von Rückfall. – Die theoretische Diskussion setzt die
Bedeutung einer Reihe von Mechanismen auseinander. Die Krankheit trat
durch den Untergang einer 20jährigen Sublimation ein und der Wahn wurde
einige Jahre später als eine Art Heilungsversuch aufgebaut. (Autoref.)

XII. Dr. J. Nelken (Zürich): Über Phantasien bei Dementia praecox.
Redner
berichtet über seine Untersuchungen der Phantasien eines Dementia
praecox-Kranken und hebt als zentrale Phantasie den Inzestgedanken
hervor, obwohl die Geschichte des Pat. die ganze Mythologie enthält. Er
kommt zu dem Ergebnis, daß die Schizophrenen an Inzestphantasien in
wenig verhüllter Form leiden und weist darauf hin, wie in diesen Fällen
die individuellen Inzestphantasien in den Inzestphantasien der ganzen
Menschheit zerfließen. Pat. projiziert den Kernkomplex auf das ganze
Universum und gebraucht dazu die uralte symbolische Bildersprache.
Seine Geschichte spiegelt den circulus vitiosus des Libidoproblems wieder.

 

 

CZ / II / 1912 / 230-231
Korrespondenzblatt der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung.

I. An die Ortsgruppen.
Beim
diesjährigen Kongreß der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung
in Weimar (21./22. September) faßte die Versammlung den Beschluß, das
bisherige Korrespondenzblatt, das bloß unter den Mitgliedern
Zirkulation hatte, mit dem Zentralblatt für Psychoanalyse zu
vereinigen. Dadurch wird das Zentralblatt zum offiziellen Organ der
Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Durch diesen
Kongressbeschluß erhält nun jedes Mitglied das Zentralblatt zu
reduziertem Preise. Die Mitglieder zahlen vom Beginne des neuen
Vereinsjahres (Oktober 1911) gemäß Kongressbeschluß (siehe unten) als
Jahresbeitrag Mk. 15.—, (Fr. 18,50, Kr. 18.—, $ 3.70), dafür erhalten
sie das Zentralblatt gratis (FN 1). Der Überschuß des Jahresbeitrages
dient zur Deckung der Unkosten der Zentralleitung, sowie zu Zwecken,
die jeweils der Beschlußfassung des Kongresses unterliegen. Der
bisherige Überschuß aus den Jahresbeiträgen wurde auf Beschluß des
Kongresses Herrn Dr. Stekel überwiesen mit der Bestimmung, daraus die
Kosten zu bestreiten, welche aus einer gelegentlich notwendigen,
reichern Ausstattung des Zentralblattes erwachsen.

(FN 1) Mitglieder, die nicht am Wohnsitz einer Ortsgruppe wohnen, beziehen das
Zentralblatt am besten direkt vom Verlag und haben ihm dafür das Porto zu vergüten. Sie
mögen sich zu diesem Zwecke mit dem Vorstand der Ortsgruppe verständigen.

Das
Korrespondenzblatt verbleibt unter der früheren Redaktion der
Zentralleitung und bildet nunmehr eine Rubrik im Zentralblatt. Die
Berichte aus den Ortsgruppen gehen wie bisher an die Zentralleitung, d.
h. an den Zentralsekretär Herrn Dr. Fr. Riklin, Neumünsterstrasse 32,
Zürich V, und nicht etwa direkt an die Zentralblattredaktion. Die
Herren Vorsitzenden der Ortsgruppen werden höflichst ersucht, ihre
Sekretäre anzuweisen, daß von jetzt an monatlich (um zu große
Stoffansammlung zu vermeiden) Bericht zu erstatten ist, und zwar in der
bisher üblichen Weise: Der Bericht soll zunächst ein Bild geben von der
Tätigkeit der Ortsgruppe, sodann sollen darin auch alle für den
Psychoanalytiker bedeutsamen Ereignisse im Bereiche der Ortsgruppe
erwähnt werden. (Literatur, Polemik, Vorträge, Zeitungsnotizen etc.)
Was die Vorträge in den Ortsgruppen betrifft, ist es sehr
wünschenswert, daß nicht bloß deren Titel mitgeteilt werden, sondern
daß ihr Inhalt auch in wenigen prägnanten Sätzen referiert werde.

Wir
dürfen in diesen Beschlüssen des Weimarer Kongresses einen wesentlichen
Fortschritt auf dem Wege zu einer festern Organisation begrüßen. Hoffen
wir, daß im neuen Vereinsjahr die Internationale Psychoanalytische
Vereinigung auf Grund dieser Verbindung vorher getrennter Kräfte blühe
und gedeihe.
Küsnacht-Zürich, im November 1911
Der Präsident: Dr. C. G. Jung.

CZ / II / 1912 / 231-237
II. Bericht über den III. Psychoanalytischen Kongreß in Weimar am 21. und 22. September 1911 im Hotel Erbprinz.

1. Der Kongreß.
Der
Kongreß wird vom Präsidenten, Dozent Dr. Jung in Küsnacht-Zürich
eröffnet, der die unter günstigen Auspizien und unter dem Schutze eines
guten Genius loci tagende große Versammlung, an der auch verschiedene
Damen teilnehmen, begrüßt. Er fühlt sich glücklich, daß die Tagung mit
anderen, freieren Gefühlen begonnen werden kann als die letzte, nachdem
viele Schwierigkeiten, die uns früher bedrückten, überwunden sind.

2. Liste der Kongreßteilnehmer.
1. Dr. Abraham, K., Berlin W., Rankestr. 24.
2. Dr. Ames, Thaddeus H., New York, City, 149E, 62th St.
3. Frau Andreas-Salomé, Lou, Göttingen.
4. Dr. Bjerre, Paul, Stockholm.
5. Dr. Binswanger, L., Kreuzlingen, Kuranstalt Bellevue.
6. Prof. Bleuler, Zürich V, Burghölzli.
7. Frl. Boeddinghaus, Martha, München, Prinz-Ludwigstr. 5.
8. Dr. Brecher, Guido, Bad Gastein, Haus Sponfeldner.
9. Dr. Brill, A. A., New York, Central Park W 97.
10. Dr. Eitingon, M., Berlin, Marburgerstr. 8 I.
11. Dr. van Emden, Leiden.
12. Dr. Federn, Paul, Wien I, Riemerg. 1.
13. Dr. Ferenczi, S., Budapest VII, Elisabethring 54.
14. Foerster, Rudolf, Berlin, Uhlandstr. 149.
15. Prof. Freud, Wien IX, Berggasse 19.
16. Dr. phil. Frhr. v. Gebsattel, E., München, Finkenstr. 2.
17. Frl. Dr. Gincburg, Schaffhausen, Breitenau.
18. Dr. Hinkle, New York.
19. Dr. Hirschfeld, Magnus, Berlin NW, In den Zelten 16.
20. Dr. Hitschmann, Ed., Wien I, Rotenturmstr. 29.
21. Dr. Hollerung, Edw., Graz, Schillerstr. 24.
22. Dr. phil. Hopf, L., Nürnberg, Blumenstr. 11.
23. Dr. Jekels, Bistrai bei Bielitz, Österreich-Schlesien.
24. Prof. Jones, Ernest, Toronto (Kanada), 407 Brunswick Avenue.
25. Dr. Juliusburger, O., Steglitz-Berlin, Siemensstr. 13.
26. Doz. Dr. Jung, C. G., Küsnacht-Zürich.
27. Frau Dr. Jung, Küsnacht-Zürich.
28. Pfarrer Keller, Adolf, Zürich I, Peterhofstatt 6.
29. Dr. Koerber, Heinr., Gr. Lichterfelde, Berlin, Boothstr. 19.
30. Dr. Ludwig, Arthur, München, Adalbertstr. 6 I.
31. Dr. Maeder, A., Zürich 5, Vogelsangstr. 46.
32. Dr. Marcinowski, Holsteinische Schweiz, Haus Sielbeck am Uklei.
33. Dr. Mensendieck, Zürich V, Dolderstr. 93.
34. Schwester Moltzer, Zürich V, Dolderstr. 90.
35. Dr. Nelken, J., Zürich V, Plattenstr. 19.
36. Dr. Pfister, O., Pfarrer, Zürich I, Schienhutgasse 6.
37. Prof. Putnam, James J., Boston, Mass., 106. Marlborough St.
38. Rank, Otto, Wien IX, Simondenkgasse 8.
39. Hofrat Dr. Rehm, München, San., Neufriedenheim.
40. Dr. Reiss, Tübingen, Nervenklinik.
41. van Renterghem, Amsterdam, 1 Van Breestraat.
42. Dr. Riklin, F., Küsnacht-Zürich.
43. Rothenhäusler, O., Zürich V, Gloriastr. 70.
44. Dr. Sadger, Wien IX, Liechtensteinstr. 15.
45. Dr. Seif, L., München, Franz-Josefstr. 21.
46. Frau Dr. v. Stach, M., Berlin-Schwarzendorf, Zelbergerpl. 1.
47. Dr. Stegmann, Dresden, Mosczinskystr. 18.
48. Dr. Steiner, Maxim., Wien l, Rotenturmstr. 19.
49. Dr. Stekel, W., Wien I, Gonzagagasse 21.
50. Dr. Stockmayer, W., Kreuzlingen, Kuranstalt Bellevue.
51. Dr. Vollrath, U., Jena, Psychiatr. Klinik.
52. Dr. Wanke, Friedrichroda, Gartenstr. 14.
53. Dr. Frhr. v. Winterstein, Alfr., Wien IV, Gusshausstr. 14.
54. Dr. Wittenberg, W., München, Arcisstr. 6.
55. Frl. Wolff, Antonia, Zürich V, Freiestr. 9.

3. Vorträge.
21. September.
1. Prof. Putnam: Über die Bedeutung der Philosophie für die weitere Entwickelung der Psychoanalyse.
2. Prof. Bleuler: Zur Theorie des Autismus.
3. Dr. Sadger: Über Masturbation.
4. Dr. Abraham: Die psychosexuelle Grundlage der Depressions- und Exaltationszustände.
5. Dr. Ferenczi: Einige Gesichtspunkte zur Frage der Homosexualität.
6. Dr. Koerber: Über Sexualablehnung.
7. O. Rank (für Dr. Sachs): Die Wechselwirkungen zwischen der Geisteswissenschaft und der Psychoanalyse.
22. September.
8. Prof. Freud: Nachtrag zur Analyse Schrebers.
9. Dr. C. G. Jung: Beitrag zur Symbolik.
10. O. Rank: Über das Motiv der Nacktheit in Dichtung und Sage.
11. Dr. Paul Bjerre: Zur analytischen Behandlung der Paranoia.
12. Dr. Nelken: Über Phantasien bei Dementia praecox.

Über
die Vorträge ist von O. Rank referiert worden im Zentralblatt für
Psychoanalyse II. Jhrg. Nr. 1. p. 102 ff. Wir verweisen auf dieses
Referat.

4. Vereinsgeschäfte und Beratungen.
a) Bericht über das Vereinsjahr 1910/11, erstattet vom Präsidenten Dr. C. G. Jung. Jahresbericht.
Nachdem
auf dem um 1 1/2 Jahre zurückliegenden Kongreß in Nürnberg die Gründung
eines Internat. Vereins beschlossen wurde, erfolgten zunächst die
Gründungen in Wien, Berlin und Zürich. Die Ortsgruppe Berlin
konstituierte sich im März 1910 mit 9 Mitgliedern unter dem Vorsitz von
Dr. Abraham. Darauf folgten im April die Ortsgruppe Wien mit 24
Mitgliedern unter dem Vorsitz von Dr. Adler. Zürich konstituierte sich
im Juni mit 19 Mitgliedern unter dem Vorsitz von Dr. Binswanger. Damit
waren die Fundamente gelegt zu unserer I. Ps.-A.-V., die mit ihren auf
3 Länder verteilten 52 Mitgliedern zunächst eine recht zarte Pflanze
war. Ich kann mit großer Freude und Befriedigung konstatieren, daß
unser Verein im vergangenen Jahre aber ein recht kräftiges Leben
entwickelt hat. Im Februar 1911 ging die in den Boden Amerikas gelegte
Saat auf. In New York konstituierte sich eine Ortsgruppe mit 21
Mitgliedern unter dem Vorsitz von Dr. Brill. Endlich kam auch der Süden
Deutschlands: Im März konstituierte sich eine Ortsgruppe München unter
dem Vorsitz von Dr. Seif mit 6 Mitgliedern.
Im Laufe des Jahres 1911
hob sich die Mitgliederzahl der Gruppe Berlin von 9 auf 12, diejenige
Wiens von 24 auf 38, und diejenige Zürichs von 19 auf 29. Auf diese
Weise stieg die anfängliche totale Mitgliederzahl von 52 auf 106. Wir
haben uns also etwas mehr als verdoppelt.
Die Züricher schulden der
wissenschaftlichen Anregung Freuds tiefe Dankbarkeit. Es erleichtert
daher unsere schwer lastende Dankesschuld, wenn wir darauf hinweisen
dürfen, daß die Gründer der Ortsgruppen in Berlin, München und New York
einst durch die Züricher Schule gegangen sind.
Dieser erfreulichen
äußeren Vermehrung entspricht eine ebenso lebhafte wissenschaftliche
Tätigkeit im Innern der Sektionen. Ich verweise auf die weit
ausgreifenden Themata, über die in den einzelnen Gruppen referiert
worden. Eine positive Förderung wissenschaftlicher Probleme ist
allerdings nur da zu erwarten, wo reiche Erfahrung des einzelnen
Mitgliedes beiträgt zur Lösung aufgeworfener Fragen. Dieser
Idealzustand ist im allgemeinen schwer zu erreichen und besonders die
Gruppen mit jüngerer Lokaltradition werden ihr Hauptziel in der
Erziehungs- und Belehrungsarbeit zu erblicken haben. Die Psychoanalyse
verlangt zum Schrecken von Jedem, der sich heutzutage von Anfang an
hineinzuarbeiten hat, ein ungewöhnliches Maß von Fleiß und
wissenschaftlicher Konzentration, wenn sie nicht anders eine
freischwebende Kunst individuellster Begabung sein soll. Die
Versuchung, wissenschaftlicher Evidenz sich zu entschlagen, ist bei
psychoanalytischer Arbeit besonders groß, besonders noch, da, wie alle
anderen Kulturlächerlichkeiten auch die wissenschaftliche
Pseudoexaktität in den Augen des Analysierten in ihre eigene Hohlheit
zusammensinkt. Damit fällt aber das Systematische, Geordnete,
Wohlgefügte und einfach Überzeugende wissenschaftlicher Arbeits- und
Darstellungsweise nicht weg. Uns, denen es vergönnt ist, in
neuentdeckten reichen Ländern Besitz zu ergreifen, liegt es ob, durch
Selbstzucht zu verhindern, daß diese Güter vergeudet und verschleudert
werden durch ungezügelte Phantasie. Vergessen wir nie, daß alles, was
wir denken und innerlich schaffen, nur dann gut gedacht und geschaffen
ist, wenn es sich mit menschlich begreiflicher Sprache an die
Menschheit wendet. Was das Schicksal von uns erwartet, ist, daß wir das
ungeheure Erkenntnisgut, das uns durch die Freud’sche Entdeckung
geworden ist, getreulich verwalten und in Form einer echten and rechten
Wissenschaft unseren Mitmenschen vermitteln und nicht zur Befriedigung
des eigenen Ehrgeizes mißbrauchen. Diese Aufgabe verlangt vom Einzelnen
nicht nur ein hohes Maß an Selbstkritik, sondern auch eine gründliche
psychoanalytische Bildung. Diese Bildung läßt sich, wie bekannt, nur
schwer durch isoliertes Arbeiten erreichen, viel leichter und besser
aber durch das Zusammenarbeiten verschiedener Köpfe. Diese Lehr- und
Erziehungsarbeit soll eine der Hauptaufgaben der Ortsgruppen unseres
Vereines sein, und ich möchte diese Aufgabe den Vorsitzenden der
Ortsgruppen ganz besonders ans Herz legen. Neben den Ergebnissen
neuerer Forschung sollte auch die Diskussion elementarer Fragen
Gegenstand der Verhandlungen in den Ortsgruppen sein, wodurch gerade
die jüngern Mitglieder Gelegenheit hätten, sich gewisse prinzipielle
Auffassungen zueigen zu machen, deren gründliche Kenntnis eine conditio
sine qua non wissenschaftlicher Methode ist.
Dergleichen
prinzipielle Diskussionen waren geeignet, mannigfache theoretische und
praktische Mißverständnisse aus dem Wege zu räumen. Es scheint mir auch
sehr von Belang, abweichende Meinungen einer baldigen und gründlichen
Diskussion zu unterwerfen, um Verzettelung der Arbeitskräfte auf
unnütze Nebenwege zu verhüten. Diese Möglichkeit liegt, wie die
Ereignisse in Wien gezeigt haben, nicht sehr fern, indem die derzeitige
Schrankenlosigkeit der psychoanalytischen Forschung und die
Unabsehbarkeit der von ihr berührten Probleme förmlich einladen zu
ebenso umstürzenden wie unberechtigten Veränderungen der von Freud
aufgefundenen und durch jahrzehntelange Arbeit bestätigten Prinzipien
der Neurosenlehre. Ich glaube, wir dürfen derartigen Versuchungen
gegenüber nicht vergessen, daß unser Verein wesentlich auch den Zweck
hat, „wilde“ Psychoanalyse zu desavouieren und bei sich nicht zu dulden.
Es
steht nicht zu befürchten, daß der von unseren Gegnern längst
gewünschte Dogmatismus damit in die Psychoanalyse einbreche, sondern
wir bedürfen nur des zähe Festhaltens an den einmal gewonnenen
Prinzipien, die wir solange zu behaupten haben, bis sie entweder in
allen Stücken bis zur größtmöglichen Evidenz bestätigt oder als
gänzlich unrichtig erkannt worden sind. Gegenüber diesen Bemerkungen
und Wünschen bezüglich der Wissenschaftspflege im Schosse der
Ortsgruppen muß ich Ihre Aufmerksamkeit auch auf die psychoanalytische
Publizistik lenken. Das vergangene Jahr hat uns zum Jahrbuch das
Zentralblatt für Psychoanalyse gebracht, das unter seiner rührigen
Redaktion bereits beträchtliche Materialien herausgebracht hat und
durch seine Vielseitigkeit ein gutes Bild der Vielseitigkeit der
Psychoanalyse liefert. Das nächste Jahr wird uns ein weiteres Organ
bringen von einem nicht mehr medizinischen sondern allgemeinen
Charakter. Ich habe es dieses Jahr mit eigenen Augen gesehen, wie groß
der Eindruck ist, den die Bemühungen für unsere Sache in der Welt
gemacht haben. Kenntnis und Schätzung der Psychoanalyse sind viel
weiter verbreitet als man gewöhnlich annimmt.
Das vergangene Jahr
hat uns Zürichern einen Verlust gebracht, der für unsere
wissenschaftlichen Zukunftshoffnungen besonders schmerzlich ist, es ist
der Tod unseres Freundes Honegger, der sich durch seinen geistreichen
Vortrag in Nürnberg auch bei den anderen Vereinsmitgliedern eingeführt hat.

 

1911 CZ Kassabericht Korrespondenzblatt

(FN 1) Zur Zeit der Rechnungsablage standen noch aus 5 Mitgliederbeiträge der Ortsgruppe München.

 

5. Beratung über den Anschluß des Korrespondenzblattes an das Zentralblatt für Psychoanalyse.
Dr.
Stekel berichtet vorerst über die Erfolge des Zentralblattes.
Die
Abonnentenzahl ist von 100 auf 350 gestiegen. Finanziell hat der
Verleger mit dem ersten Jahrgang noch ein Defizit, und bei der
gegenwärtigen Ausstattung des Blattes wird eine Erhöhung des
Abonnementspreises von 15 auf 18 Mark notwendig werden; für die
Mitglieder der Vereinigung wird aber der Verlag mit einer Reduktion des
Abonnementspreises entgegenkommen.
Es wird beschlossen, den
gegenwärtigen Kassaüberschuß der Redaktion des Zentral-Blatt zur event.
Reichergestaltung einzelner Nummern zur Verfügung zu stellen. Ferner
wird das Zentralblatt zum obligatorischen Vereinsorgan erklärt, wobei
das Korrespondenzblatt als solches eingeht und statt dessen die
Vereinsmitteilungen in einer besonderen Rubrik am Schlusse der
Zentralblattnummern erscheinen. Aus technischen Gründen werden Artikel
und Mitteilungen des Zentralblatts im allgemeinen in deutscher Sprache
erscheinen, wobei immerhin Artikel, bei denen es auf die Sprache
wesentlich ankommt, auch in einer anderen Sprache gebracht werden
können.
Der Mitgliederbeitrag wird, da das Abonnement des
Zentralblatts zu reduziertem Preise (voraussichtlich 12 Mark)
inbegriffen ist, erhöht, und zwar, um die Zentralleitung nicht von
allen Mitteln zu entblößen, auf 15 Mark (= 18 Kr. = frs. 18.50 = $
3.70).
Überschüsse sollen vorläufig dem Dispositionsfond für das Zentralblatt zugewendet werden.
Der
Vorschlag von Prof. Freud, den Zentralpräsidenten von Amts wegen als
Mitherausgeber des Zentralblattes zeichnen zu lassen, wird abgelehnt.
Stekel wird bevollmächtigt, mit dem Verlag die definitiven
Vereinbarungen über die Beziehungen zwischen Verein and Zentralblatt zu
treffen.

In der Folge wird eingehend über die Verbesserung des
Referatenwesens diskutiert und den Ortsgruppen und Mitgliedern eine
lebhafte Tätigkeit in diesem Sinne überbunden; die Redaktion soll die
Angelegenheit mit den Vorsitzenden der Ortsgruppen und den Mitgliedern
organisieren.

6. Mitgliedfrage.
Über die Grenzen, innerhalb
welcher die Mitgliedschaft des Vereins erteilt werden kann, kommt die
Versammlung zu folgenden Gesichtspunkten: Die örtlichen Verhältnisse
der Gruppen erlauben keine allzu speziellen Bestimmungen. Die
Ortsgruppen sind selbst verantwortlich für die Qualität der Mitglieder.
In Zürich wird z. B. akademische Graduierung verlangt. Die Ortsgruppe
Berlin erteilt die Mitgliedschaft nur an Ärzte. Eine zu große
Liberalität ist nicht angezeigt. Der Grundcharakter der Analyse ist ein
wissenschaftlicher, darum muss von den Mitgliedern wissenschaftliche
Vorbildung und Tätigkeit verlangt werden. Mit der Zeit wird es
notwendig werden, z. B. der Lehrer wegen, Laienorganisationen zu
schaffen, mit Fühlung mit den Ortsgruppen. Für Pflege und Ausbildung
der Analyse ist es nicht nötig, zu sehr in die Breite zu gehen. Die
Fruchtbarkeit der Analyse ist aus verschiedenen Gründen durch kleinere
Organisationen besser gewährleistet als durch zu umfangreiche.

7. Organisation.
Am Nachmittag des zweiten Sitzungstages wird über die Organisation der I. Ps.-A.-V. in Amerika beraten.
Erst
hat sich die Ortsgruppe New York gebildet. Seither wurde von Prof.
Jones in Toronto eine „General Association“ gegründet, deren Mitglieder
nicht wie bei den übrigen Ortsgruppen zum größten Teil in derselben
Stadt wohnen, sondern in Amerika und Kanada zerstreut sind, weil sich
die Gelegenheit zu einer lokalen Konzentration nicht geboten hat. Sie
können sich also nicht in kurzen Zeitabständen versammeln. Darnach
richten sich die Statuten mit rigorosen Aufnahmebestimmungen. Es soll
nun den Verhältnissen Rechnung getragen werden, indem der „General
Association“ die Rechte und Pflichten einer Ortsgruppe der I. Ps.-A.-V.
gegeben werden. Beiden amerikanischen Ortsgruppen soll die vollständige
Unabhängigkeit voneinander gewährt, der Ortsgruppe New York als solcher
sollen z. B. keine Verpflichtungen gegenüber der „Gen. Ass.“ auferlegt
werden; die event. Zugehörigkeit zu beiden Gesellschaften soll ganz dem
Gutdünken der einzelnen Gruppen überlassen werden. Im Zweifelsfalle
entscheidet die Zentrale über entstehende Schwierigkeiten

8. Nächster Kongreß.
Es
wird gewünscht, daß der nächste Kongreß die Ferien- und
Militärdienstverhältnisse berücksichtige und als Zeitpunkt der Anfang
des Monats September vorgeschlagen und als nächster Kongreßort
vorläufig München in Aussicht genommen. Die definitiven Beschlüsse
darüber werden der Zentralleitung überlassen in der Meinung, daß der
Zeitpunkt des nächsten Kongresses spätestens in den ersten Monaten nach
Neujahr festgesetzt und mitgeteilt werde.

9. Zentralleitung.
Die
Zentralleitung wird durch Akklamation neu bestätigt mit Dr. C. G. Jung
als Präsidenten und Dr. F. Riklin als Sekretär, beide in
Küsnacht-Zürich. Im Namen der Vereinigung dankt Dr. Ferenczi Dr.
Abraham für die treffliche Organisation des Kongresses. Prof. Freud
wünscht allen Teilnehmern glückliche Wiederkehr am nächsten Kongress
und Dr. Jung den Ortsgruppen besten Erfolg in ihrer Arbeit.

 

Bearbeitung: Christine Diercks, 15. August 2010