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Anna Freud
* 03.12.1895 – † 09.10.1982

Psychoanalytikerin, Pionierin der Kinderanalyse und der psychoanalytischen Pädagogik.

1938 Emigration nach London.
1922-1938 Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, Vorsandsmitglied, Lehranalytikerin, 1934 Leiterin des Lehrausschusses, 1927-1934 Generalsekretärin der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, 1938 Mitglied und Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society. Zahlreiche internationale Ehrungen.

Am 3. Dezember 1895 als jüngstes Kind von Sigmund und Martha Freud in Wien geboren.1901-1903 Volksschule privat im 1. Wiener Gemeindebezirk.
1903-1905 Volksschule öffentlich im 9. Wiener Gemeindebezirk.
1905-1911 „Cottage Lyzeum“ Wien.
1914-1917 private Ausbildung zur Volksschullehrerin.
1917-1920 Lehrerin an der Volksschule des „Cottage Lyzeum“.
1915-1918 Hospitantin bei den Visiten Wagner-Jaureggs an der Psychiatrischen Universitätsklinik.
1918 Beginn ihrer Analyse bei ihrem Vater Sigmund Freud.
1918 Erster öffentlicher Auftritt auf dem Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Budapest.
Seither  regelmäßige Teilnahme an den  Sitzungen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1920 Besuch des Internationalen Psychoanalytischen Kongresses in Den Haag gemeinsam mit Sigmund Freud.
31.5.1922 Mitgliedschaft in der WPV. Vortrag in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung: Schlagephantasie und Tagtraum.
März 1923 Eröffnung einer eigenen psychoanalytische Praxis in der Berggasse 19.
Freundschaft mit Lou Andreas-Salomé.
1923 erkrankte Sigmund Freud an Krebs. Anna Freud übernahm viele seiner Funktionen für die psychoanalytische Gruppe und zunehmend auch die Krankenpflege. 1925 Beeginn der  Beziehung mit der Amerikanerin Dorothy Burlingham, die zur Lehranalyse bei Freud nach Wien kam, blieb und mit ihren Kindern eine Wohnung in der Berggasse 19 anmietete.1925 Gründung des Lehrinstitutes der WPV. Anna Freud wurde Lehr- und Kontrollanalytikerin, 1925 Schriftführerin des Lehrausschusses.
Ab 1926 Zusammenarbeit mit August Aichhorn, Wilhelm Hoffer, Hedwig Schaxel im „Lehrkurs für Pädagogen“ der WPV.
1926/27 Vorlesungen im Wiener Lehrinstitut.
1927 Publikation der Vorlesungen: „Einführung in die Technik der Kinderanalyse“. Im Gefolge Beginn des Konflikts mit Melanie Klein.
1927 - 1934 Generalsekretärin der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV)
1927 / 1929 Vertretung von Sigmund Freud auf dem Internationalen Kongress in Innsbruck und Oxford.
1930 In „Einführung in die Psychoanalyse für Pädagogen“ veröffentlichte sie zahlreiche Vorträge, die sie vor PädagogInnen und HorterzieherInnen gehalten hatte.
1930 In Vertretung von Sigmund Freud Entgegennahme des Goethepreis und Verlesung seiner  Dankadresse in Frankfurt am Main.
1930 Anna Freud und Dorothy Burlingham erwarben als Feriensitz ein altes Bauernhaus in Hochrotherd im Wienerwald.
1935 Vorsitz des Lehrinstitutes der WPV (Nachfolge von Helene Deutsch, die nach Boston emigirierte).
1936 Seminar über Technik der Kinderanalyse, mit Edward Bibring das Seminar über Probleme der Technik.
1936 Erscheinen von Das Ich und die Abwehrmechanismen
1936 wesentlich an der Anmietung und Adaptierung der neuen Räume für WPV, Ambulatorium, Lehrinstitut und Verlag in der Berggasse 7 beteiligt, die aus Anlass des 80. Geburtstages von Sigmund Freud 1936 von Ernest Jones eröffnet wurden.
Februar 1937 Eröffnung einer Kindertageskrippe - die Jackson Nursery – am Rudolfsplatz in Wien zusammen mit Dorothy Burlingham und Edith Jackson.

1938 Liquidation aller Einrichtungen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung durch das NS-Regime.Anna Freud wurde von der Gestapo verhört.
Mit internationaler Hilfe (vor allem der amerikanischen Botschafter Bullitt und Wilsey, von Prinzessin Marie Bonaparte) konnte Freud uns seine Familie nach London emigrieren.

23. 9. 1939 Tod von Sigmund Freud in London.
Mitherausgeberin der Gesammelten Werke Sigmund Freuds.
1940 bis 1945 mit Dorothy Burlingham Leitung des Kriegskinderheimes „Hampstead War Nurseries“.
Zuspitzung des Konflikts zwischen Anna Freud und ihren AnhängerInnen und Melanie Klein und ihrer Gruppe in der British Society, den man wissenschaftlich auszutragen suchte, was zu den „Controversial-Discussions“ innerhalb der British Society führte, innerhalb der sich im Gefolge des Konflikts Schulen formierten: Kleinianische Schule, Freudianische Schule und Independent oder Middle Group.
Ab 1945 Beteiligung an der Herausgabe der Zeitschrift „The Psychoanalytic Study of the Child“.
1947 Gründung der „Hampstead Child Therapy Courses“, Ausbildungslehrgänge für Kinderpsychoanalyse (Theorieunterricht, Lehranalyse, Supervision, Fallseminare, Praktikum, Forschung, Kinderbeobachtung).
1950 Ehrendoktorat Clark University (Worcester, Massachusetts).
1952 Ausbau zu einem Ambulatorium: „Hampstead Child Therapy-Course and Clinic“
1953 Dorothy Burlingham: „Hampstead Index“ zur wissenschaftlichen Erfassung der Beobachtungen.
Anna Freud gründete weiters einen Kindergarten, baute eine Mütterberatungsstelle für blinde Kinder und Frühfördergruppen auf. Die Erfahrungen und Beoachtungen flossen später in Publikationen ein: „Wege und Irrwege in der Kindesentwicklung“ (1965).
Der Versuch, die Hampstead Clinic zu einer Ausbildungseinrichtung der IPV zu machen, scheiterte.
stätte im Rahmen der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung zu machen.
Mitarbeit am Aufbau der Freud-Archives in der Library of Congress, Washington und an der dreibändigen Freud-Biografie von Ernest Jones.

In den späten 1960er Seminare über kindliche Entwicklung an der Yale University (USA) im rechtswissenschaftlichen Fachbereich.
Daraus entstanden zusammen mit Joseph Goldstein und Albert J. Solnit: „Jenseits des Kindeswohls“ (1973), „Diesseits des Kindeswohls“ (1979) und „Das Wohl des Kindes“ (1986).
1968 Erste Veröffentlichung der gesammelten Schriften Anna Freuds

1971 Anna Freud kehrte aus Anlass des  XXVII. Internationalen Psychoanalytischen Kongresses erstmals wieder nach Wien zurück.
Eröffnung des Sigmund-Freud-Museums Wien in der Berggasse 19 in einem Teil der ehemaligen Praxis und Wohnung Sigmund Freuds.
1972 Ehrendoktorat der medizinischen Fakultät der Universität Wien.
1980 Ehrendoktorat Harvard University
6. 5. 1980 Anna Freud kam ein letztes Mal nach Wien und hielt die Sigmund-Freud-Vorlesung.

9. Oktober 1982     Anna Freud verstarb in London.
 

Literatur:

Die Schriften A. Fs. erschienen 1980 gesammelt in zehn Bänden (München, Kindler-Verlag).

Auswahl:
Anna Freud:
- (1922): Schlagephantasie und Tagtraum. Imago, VIII Band, 1922, 317-332. Leipzig, Wien, Zürich: Internationaler Psychoanalytischer Verlag.
- (1927): Einführung in die Technik der Kinderanalyse. 1929 in der zweiten Auflage um den Artikel „Zur Theorie der Kinderanalyse“ (1928) erweitert.
- (1930): Einführung in die Psychoanalyse für Pädagogen. Vier Vorträge. Stuttgart.
- (1936): Das Ich und die Abwehrmechanismen.
- (1965): Normality and pathology in childhood. (dt.: 1968: „Wege und Irrwege in der Kinderentwicklung“)
- (with Dorothy Burlingham) (1942): Young Children in War-Time. A Year’s Work in a Residental Nursery. London.
- (with Dorothy Burlingham) (1942): Infants without Families. The Case for and Against Residental Nurseries. London.
- (1967): Indikationsstellung in der Kinderanalyse. Psyche 1967, 21, S. 233-253.
- (mit Bergmann, Thesi) (1972): Kranke Kinder – Ein Beitrag zu ihrem Verständnis. Frankfurt/M: Fischer Verlag.
- (mit Goldstein, Joseph / Solnit, Albert J.) (1974): Jenseits des Kindeswohls. Frankfurt/M: Suhrkamp.
- (mit Goldstein, Joseph / Solnit, Albert J.) (1982): Diesseits des Kindeswohl. Frankfurt/M: Suhrkamp.
- (mit Goldstein, Joseph / Solnit, Albert J.) (1988): Das Wohl des Kindes. Frankfurt/M: Suhrkamp.

Sekundärliteratur, Quellen:
Besser, R., Leben und Werk von Anna Freud. In: Eicke, D. (Hg.) (1977): Die Psychologie des 20. Jahrhunderts III: Freud und die Folgen (2). Zürich.
Blumesberger, Susanne / Doppelhofer, Michael / Mauthe, Gabriele (Bearb.) (2002):  Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Hg. Österr. Nationalbibliothek. München: Verlag: K. G. Saur.
Bolland, J., Sandler, J. (1979): Die Hampstead Methode. München.
Coles, Robert (1995):  Anna Freud oder Der Traum der Psychonalyse, Frankfurt/M: S. Fischer.
Denker, Rolf (1995): Anna Freud zur Einführung. Hamburg: Junius.
Edgcumbe, Rose, Anna Freud - Child Analyst. In: IJP, 1983, 64, 427-433.
Goldstein, Joseph (1984): Anna Freud in Law In: Psy Study Child, 1984, 39, 3-13.
Grosskurth, Phyllis (1993): Melanie Klein, ihre Welt und ihr Werk. Stutgart: Verlag Internationale Psychoanalyse.
Huber, Wolfgang (1977): Die Psychoanalyse in Österreich seit 1933. Wien/Salzburg.
Kerbl, Brita (1992): Die weiblichen Mitglieder  der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Biobibliographische Daten mit besonderer Berücksichtigung der Emigration. Wien: Diplomarbeit. King, Pearl, Steiner, Riccardo (Ed.) (1991): The Freud-Klein-Controversies 1941-45. London/New York.
Kratzer, Hertha (2001): Die großen Österreicherinnen. 90 außergewöhnliche Frauen im Porträt. Wien, Verlag: Ueberreuter.
Keintzel, Brigitta / Korotin, Ilse (Hg.) (2002): Leupold-Löwenthal, Harald, Anna Freud. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben, Werk, Wirkung. Wien. 194-197.
Mänchen, Anna  (1979): An Appreciation and Review of Anna Freud’s Work. Hampstead Symposium, San Francisco. 21. 4. 1979.
Mühlleitner, Elke (2002): Anna Freud: Gel(i)ebte Psychoanalyse. In: Volkmann-Raue, Sibylle / Lück, Helmut E. (Hg.): Bedeutende Psychologinnen., 2002, S. 97-113. Weinheim u. Basel: Beltz.
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Olvedi, Ulli (1992): Frauen um Freud. Die Pionierinnen der Psychoanalyse. Freiburg/Basel.
Peters, Uwe H. (1979): Anna Freud - Ein Leben für das Kind. München.
Salber, Wilhelm (1985):  Anna Freud. Hamburg.
Stockreiter, Karl (1996): Anna Freud. In: Korotin, Ilse (Hg.): Gelehrte Frauen. Frauenbiographien vom 10. bis zum 20. Jahrhundert. 1996, Wien: BMUK.
Weinzierl, Erika (1975): Emanzipation? Österreichische Frauen im 20. Jahrhundert. S. 176-182. Wien, München.
Young-Bruehl, Elisabeth (1994): Anna Freud: A Biography. Revised Edition. New York: W W Norton & Co.  (dt.: 1995)

Briefwechsel:
Anna Freud (1994): Briefe an Eva Rosenfeld.  Stroemfeld 1994, ISBN 978-3-86109-118-9
Rothe, Daria A.;  Weber, Inge (Hg.) (2001): Lou Andreas-Salomé und Anna Freud: »…als käm ich heim zu Vater und Schwester«. Briefwechsel 1919-1937 (2 Bde.). Göttingen: Wallstein Verlag; Taschenbuchausgabe: München: dtv, 2004
Sigmund Freud und Anna Freud: Briefwechsel 1904-1938. Hg. von Ingeborg Meyer-Palmedo. Frankfurt/M. 2006
 

Tondokument:
Anna Freud: Die Einsicht in das Unterbewußte.   Vortrag; Ausschnitt: Über Kindheit und Außenwelt. Wien, 6.5.1980
http://www.mediathek.at/akustische-galerien/galerie/wissenschaft_und_kun... [28.7.2010]
 

Links / Quellen:
http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/Freud_Anna.htm [28.7.2010]
http://www.annafreud.de/biografie.html [28.7.2010]

Text, Redaktion: Christine Diercks. 28.7.2010