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Otto Rank
geb. Rosefeld * 22.04.1884, Wien – † 31.10.1939, New York

Enger Mitarbeiter Freuds, Sekretär der WPV, protokollierte in dieser Funktion ab 1906 die Sitzungen der „Mittwoch-Gesellschaft“ bei Freud, bedeutende psychoanalytische Arbeiten über mythologische und literarische Themen sowie über „Das Trauma der Geburt“, übte starken Einfluss auf die Gründer anderer Psychotherapieschulen aus. Begründer der Casework-Schule, die die Therapie zeitlich begrenzte.

1926 Bruch mit Freud, Übersiedlung nach Paris, 1935 Übersiedelung nach New York.
1906-1928 Mitglied der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft und der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1919-1924 Leiter des Internationalen Psychoanalytischen Verlages, Mitglied des Geheimen Komitees, Obmann-Stellvertreter der WPV, Redakteur der "Imago"

1884 am 22.4. in Wien als Sohn des jüdischen Kusnthandwerkes Simon Rosenfeld und seiner Frau Karoline geboren.
Absolvierte die Staatsgewerbeschule.

1900 Wählte den Namen Rank für schriftstellerische Veröffentlichungen, interessierte sich für das Theater und die Schauspielerei, bildete sich autodidaktisch fort und beschäftigte sich vor allem mit Ibsen, Schopenhauer und Nietzsche.
1905, nach seiner Lektüre „Traumdeutung“, wurde er von seinem Hausarzt, Alfred Adler, Freud vorgestellt und wird bald darauf Sekretär der Mittwochgesellschaft, deren Zusammenkünfte er protokollierte (Originale sind im Archiv der WPV, heruasgegeben von Nunberg/Federn, 1962).

„Eines Tages führte sich ein absolvierter Gewerbeschüler durch ein Manuskript bei uns ein, welches außerordentliches Verständnis verriet. Wir bewogen ihn, die Gymnasialstudien nachzuholen, die Universität zu besuchen und sich den nichtärztlichen Anwendungen der Psychoanalyse zu widmen. Der kleine Verein erwarb so einen eifrigen und verläßlichen Sekretär, ich gewann an Otto Rank den treuesten Helfer und Mitarbeiter“, schreibt Freud 1914 in „Zur Geschichte der Psychoanalytischen Bewegung“ (Freud, 1914d, 63).

1908 Studium der Germanistik.

1908 Sekretär der neugegründeten WPV, „ich gewann an Otto Rank den treuesten Helfer und Mitarbeiter“, schriebFreud 1914 in „Zur Geschichte der Psychoanalytischen Bewegung“ (Freud, 1914d, 63).

1912 Promition zum Doktor der Philosophie (Die Lohengrin Sage).
Bis 1919 lag sein Arbeitsschwerpunkt auf den Anwendung der Psychoanalyse: Literatur und den Mythos: Der Mythus von der Geburt des Helden (1909), Ein Beitrag zum Narcissismus (1911a), Die Lohengrinsage (1911b), Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage (1912), Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung (1919). Sein besonderes Interesse galt  dabei demInzest-Motiv.
Ab 1919 begann Rank auch selber Psychoanalyse durchzuführen.

1912-1924 Redakteur der „Imago“ und der „Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse“.
Mitglieder des Geheimen Komitees (siehe dazu Wittenberger, 1995).
Während des I. Weltkrieges Herausgeber der „Krakauer Zeitung“, lernt in Krakau die Psychologiestudentin Beate Mincer/Münzer (geboren 1896 in Neusandetz, Polen, gestorben 1967 in Cambridge, USA).
1918 Ehe mit Beate Mincer, Das Paar ließ sich in Wien nieder.
1919-1924 Leiter des Internationalen Psychoanalytischen Verlags.
1922 Obmann-Stellvertreter der WPV
1921-1924 Alleinherausgeber der „Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse“.
1924 Reise in die USA:

Dr. Rank in Amerika (Bericht aus dem Korrespondenzblatt der IZP)
„Dr. Otto Rank begab sich Ende April nach New York, wo er einige Monate zu bleiben gedenkt. Bis jetzt wurde Dr. Rank eingeladen, folgende Vorträge zu halten:
Am 6. Mai in der „Academy of Medicine“, in der „Neurological Society“ über die Psychoanalyse des Organischen. Es waren etwa 150 Zuhörer anwesend. An der Diskussion nahmen folgende Redner teil: Dr. Brill, Dr. Ames, Dr. Clark, Dr. Jelliffe, Dr. Kempf, Dr. Meyer, Dr. Polon, Dr. Stragnell, Dr. Oberndorf, Dr. Stern, Dr. Rank.
Am 13. Mai ebenda in der „Section of Neurology and Psychiatry“ über PsA. und Psychiatrie, ebenfalls mit Diskussion (Dr. Oberndorf, Dr. Kardiner, Dr. Polon, Dr. Jelliffe, Dr. Rosett, Dr. Stragnell, Dr. Rank).
Am 26. Mai in der „Soziolog. Gesellschaft der Columbia University“ über PsA. und Soziologie.
Am 27. Mai in „New York Psychoanalytic Society“ über das Wesen der psa. Therapie.
Am 3. Juni auf dem Amerikanischen Psychoanalytiker-Kongreß in Atlantic City über das Trauma der Geburt.
Am 28. Juni auf dem Kongreß des „National Committee of Mental Hygiene“ in Toronto (Kanada) über „Soziale Gesichtspunkte der PsA.“ (IZP, X, 1924, 210)
 
1924 Veröffentlichung von „Entwicklungsziele der Libido“ (zusammen mit S. Ferenczi) und von „Das Trauma der Geburt“, im Gefolge inhaltlicher Kontroversen kam es zum Zerwürfnis mit Freud.
„Rank stellte mit seinem Trauma der Geburt eine neue Angsttheorie auf. Die Angst sei nicht nur „der erste psychische Inhalt …, dessen sich der Mensch bewußt wird“ (ebd., S. 67), sondern auch der Kern jeder Neurose (vgl. ebd., S. 63). Ausgehend von Freud sah Rank in der Geburtsangst den Ursprung des Angstaffektes, wobei dessen Bewältigung die gesamte Kindheit beanspruche (vgl. ebd., S. 32). Dies zeige sich z.B. in der Angst von Kindern vor dunklen Räumen oder vor Tieren (vgl. ebd., S. 32f). Dieser Angstaffekt im Kind benütze jede sich bietende Gelegenheit, um den Affekt wieder abreagieren zu können: „jede Äußerung infantiler Angst [entspricht] einer partiellen Erledigung der Geburtsangst“ (ebd., S. 37). Aber es gehe nicht nur jede Angst auf die Geburtsangst zurück, sondern auch „jede Lust [tendiere] letzten Endes zur Wiederherstellung der intrauterinen Urlust“ (ebd., S. 38). In der Neurose wirkten „reproduzierte Reminiszenzen an die Geburt bzw. ihr lustvolles Vorstadium“ (ebd., S. 63).“ (Leitner, Marina (1997): Otto Rank - vergessener Pionier der Psychoanalyse. Werkblatt Nr. 38, 1/1997: 107-121. http://www.werkblatt.at/archiv/38Leitner.html, Stand 17.7.2013))
 
1926 Bruch mit Freud, Übersiedlung nach Paris im Mai 1926. 
In Paris Analytiker von Henry Miller und Anaïs Nin, Vorträge an der Sorbonne.
Mehrere Reisen in die USA, wo er an den Universitäten von Harvard, Yale, Stanford und Pennsylvania unterrichtete.
1935 ließ er sich in New York nieder, eröffnete eine psychoanalytische Praxis und lehrte an der Graduate School of Jewish Social Work.

Redaktion und Text: Christine Diercks 2010, 2013

 
Biobliografie:
Otto Rank - Werke:
Eine Zusammenstellung der Werke von Otto Rank findet sich bei Lieberman (1997), 570-576.
Rank, Otto (1907): Der Künstler. Ansätze zu einer Sexual-Psychologie. Wien. Erw. 2. & 3. Aufl. Wien und Leipzig: Heller 1918.
Rank, Otto (1909): Der Mythus von der Geburt des Helden. Versuch einer psychologischen Mythendeutung. Leipzig und Wien. (Schriften zur angewandeten Seelenkunde, Heft 5)
Rank, Otto (1911a): Ein Beitrag zum Narcissmus. Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, 1911, Vol 3, 401-426.
Rank, Otto (1911b): Die Lohengrinsage. Ein Beitrag zur ihrer Motivgestaltung und Deutung. Leipzig und Wien. (Schriften zur angewandten Seelenkunde, Heft 13)
Rank, Otto (1912): Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage. Leipzig und Wien. 2., verb. Aufl. Leipzig und Wien: Deuticke 1926.
Rank, Otto/Sachs, Hanns (1913): Die Bedeutung der Psychoanalyse für die Geisteswissenschaften. Wiesbaden.
Rank, Otto (1914): Der Doppelgänger. Imago 3, 97-164.
Rank, Otto (1919): Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung. Leipzig und Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag. (Internationale Psychoanalytische Bibliothek 4)
Rank, Otto (1924): Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse. Wien. Neuausgabe: Frankfurt/Main: Fischer 1988.
Rank, Otto/Ferenczi, Sándor (1924): Entwicklungsziele der Psychoanalyse. Zur Wechselbeziehung von Theorie und Praxis. Leipzig, Wien, Zürich (= Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse 1).
Rank, Otto (1924): Eine Neurosenanalyse in Träumen. Leipzig, Wien, Zürich (= Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse 3).
Rank, Otto (1926, 1929, 1931): Technik der Psychoanalyse: Bd. 1: Die Analytische Situation; Bd. 2: Die Analytische Reaktion; Bd. 3: Die Analyse des Analytikers. Leipzig und Wien. Englische Übersetzung: Bde 2 und 3 sowie eine Zusammenfassung von Bd. 1 unter dem Titel: (1936): Will therapy. New York.
Rank, Otto (1927-1929): Gründzüge einer genetischen Psychologie auf Grund der Psychoanalyse der Ich-Struktur: Bd. 1: Genetische Psychologie; Bd. 2: Gestaltung und Ausdruck der Persönlichkeit; Bd. 3: Wahrheit und Wirklichkeit. Entwurf einer Philosophie des Seelischen. Leipzig und Wien.
Rank, Otto (1930): Seelenglaube und Psychologie. Eine prinzipielle Untersuchung über Ursprung, Entwicklung und Wesen des Seelischen. Leipzig und Wien.
Rank, Otto (1930, 1981): Literary autobiography. Journal of the Otto Rank Association 16 (1981),  3-28.
Rank, Otto (1933): Erziehung und Weltanschauung. Eine Kritik der psychologischen Erziehungs-Ideologie. München.

Rank, Otto (1941): Beyond Psychology. New Jersey. Neuaufl. New York 1958. 

Englischsprachige Publikationen:
Rank, Otto
(1907) The Artist
(1909) The Myth of the Birth of the Hero (Johns Hopkins, 2004, ISBN 0-8018-7883-7)
(1911) The Lohengrin Saga
(1912) The Incest Theme in Literature and Legend (Johns Hopkins, 1991, ISBN 0-8018-4176-3)
(1913) The Significance of Psychoanalysis for the Human Sciences
(1914) The Interpretation of Dreams eds. 4-7: „Dreams and Poetry“; „Dreams and Myth“ added to Ch. VI, „The Dream-Work.“ In Dreaming by the Book L. Marinelli and A. Mayer, Other, 2003. ISBN 1-59051-009-7
1924) The Trauma of Birth, 1929 (Dover, 1994, ISBN 0-486-27974-X)
(1924) The Development of Psychoanalysis / Developmental Goals of Psychoanalysis
(1925) The Double (Karnac, 1989, ISBN 0-946439-58-3)
(1929) Truth and Reality (Norton, 1978, ISBN 0-393-00899-1)
(1930) Will Therapy, 1929–31 (First published in English in 1936;reprinted in paperback by Norton, 1978, ISBN 0-393-00898-3)
(1930) Psychology and the Soul (Johns Hopkins, 2003, ISBN 0-8018-7237-5)
(1932) Art and Artist (Norton, 1989, ISBN 0-393-30574-0)
(1933) Modern Education
(1941) Beyond Psychology (Dover, 1966, ISBN 0-486-20485-5)
(1996) A Psychology of Difference: The American Lectures [talks given 1924–1938; edited and with an introductory essay by Robert Kramer (Princeton, 1996, ISBN 0-691-04470-8)

 
Sekundärliteratur:
Brabant, Eva; Falzeder, Ernst; Giampieri-Deutsch, Patrizia (Hg.) (unter der wissenschaftlichen Leitung von Haynal, André) (1993a): Sigmund Freud - Sándor Ferenczi - Briefwechsel. Band I/1, 1908 bis 1911. Wien, Köln, Weimar: Böhlau.
Chrzanowski, Gerard (1977). Das psychoanalytische Werk von Karen Horney, Harry Stack Sullivan und Erich Fromm. In: Dieter Eicke (Hg.): Tiefenpsychologie. Band 3: Die Nachfolger Freuds. Weinheim und Basel: Beltz, 1982, 346-380.
Eagle, Morris N. (1988): Neuere Entwicklungen in der Psychoanalyse. Eine kritische Würdigung. München, Wien: Verlag Internationale Psychoanalyse.
Falzeder, Ernst (1992): Interpersonelle Psychoanalyse (Neo-Psychoanalyse). Unveröffentlichtes Manuskript.
Freud, Sigmund (1895b [1894]): Über die Berechtigung, von der Neurasthenie einen bestimmten Symptomkomplex als „Angstneurose“ abzutrennen. In: Studienausgabe VI. Frankfurt/Main: S. Fischer 1982, 25-49.
Freud, Sigmund (1898a): Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen. In: Studienausgabe V. Frankfurt/Main: S. Fischer 1982, 11-35.
Freud, Sigmund (1914g): Weitere Ratschläge zur Technik der Psychoanalyse: II. Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten. In: Studienausgabe, Ergänzungsband. Frankfurt/Main: S. Fischer 1982, 205-215.
Freud, Sigmund (1918b [1914]): Aus der Geschichte einer infantilen Neurose. In: Studienausgabe VIII. Frankfurt/Main: S. Fischer 1982, 125-232.
Freud, Sigmund (1924d): Der Untergang des Ödipuskomplexes. In: Studienausgabe V. Frankfurt/Main: S. Fischer 1982, 243-251.
Freud, Sigmund (1926d [1925]): Hemmung, Symptom und Angst. In: Studienausgabe VI. Frankfurt/Main: S. Fischer 1982, 227-310.
Jones, Ernest (1940): Otto Rank. IJP 21, 112-113.
Jones, Ernest (1953): Sigmund Freud: Leben und Werk. Band 1. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984.
Jones, Ernest (1955): Sigmund Freud: Leben und Werk. Band 2. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984.
Jones, Ernest (1957): Sigmund Freud: Leben und Werk. Band 3. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984.
Leitner, Marina (1995). Der Konflikt zwischen Sigmund Freud und Otto Rank. Ein Schlüsselkonflikt für die Entwicklung der Psychotherapie des 20. Jahrhunderts. Diplomarbeit. Universität Salzburg.
Leitner, Marina (1998): Freud, Rank und die Folgen. Ein Schlüsselkonflikt. Wien: Turia + Kant.
Leitner, Marina (1997): Otto Rank - vergessener Pionier der Psychoanalyse. Werkblatt Nr. 38, 1/1997: 107-121. http://www.werkblatt.at/archiv/38Leitner.html
Leitner, M. (1997): Too Rankian for the Freudians, or too Freudian for the Rankians: Otto Rank’s Contributions to Psychoanalysis in the 1920s. J. Amer. Acad. Psychoanal. 25, 37-70.
Lieberman, James E. (1985): Acts of Will: The Life and Work of Otto Rank. New York: The Free Press. Dt. Übersetzung (1997): Otto Rank. Leben und Werk. Aus dem Amerik. von Anni Pott. Gießen.
Menaker, Esther (1982). Otto Rank. A Rediscovered Legacy. New York: Columbia University Press.
Mertens, Wolfgang (1991). Einführung in die psychoanalytische Therapie. Band 3. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer.
Oberlehner, Franz (2009): „Entwicklungsziele der Psychoanalyse“ - Ein vergessenes Werk am Scheideweg. In: Diercks, Christine/Schlüter, Sabine (Hg.) (2009): post Freud - post Klein. Sigmund-Freud-Vorlesungen 2008. Wien: Mandelbaum.
Roazen, Paul (1976): Sigmund Freud und sein Kreis. Eine biographische Geschichte der Psychoanalyse. Bergisch Gladbach: Lübbe.
Rudnitzky, Peter L. (1991): The Psychoanalytic Vocation. Rank, Winnicott, and the Legacy of Freud. New Haven, London: Yale University Press.
Wittenberger, Gerhard (1995): Das „Geheime Komitee“ Sigmund Freuds. Institutionalisierungsprozesse in der „Psychoanalytischen Bewegung“ zwischen 1912 und 1927. Tübingen: Edition diskord.

Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/Otto_Rank
http://www.werkblatt.at/archiv/38Leitner.html

Redaktion und Text: Christine Diercks 2010, 2013