Ferdinand de Saussure - Langage, Langue und Parole / Signifikant, Signifikat / Bedeutung

Langage, Langue und Parole

„Saussure unterscheidet bei der Sprache drei Aspekte, die er mit drei unterschiedlichen Ausdrücken bezeichnet:

  • Langage ist dabei die menschliche Sprache an sich, das biologische Vermögen des Menschen zu sprechen;
  • Langue verweist auf eine Sprache im Sinne einer bestimmten Einzelsprache wie Französisch oder Deutsch, als ein abstraktes System von Regeln, aber auch auf innersprachliche Systeme (Lautsprache – Gebärdensprache);
  • Parole ist das Sprechen, also der konkrete Akt des Sprachbenutzers, der spezielle Sprachgebrauch

Der Begriff langage bezeichnet die menschliche Sprache als vortheoretischen Phänomenbereich, also so, wie sie den Sprechern in der Sprechtätigkeit begegnet. Demgegenüber ist die langue als theoretischer Sprachbegriff zu verstehen, der eine erkenntnislogische Ordnung in den vortheoretischen Phänomenbereich der menschlichen Rede, des langage, bringt. Die langue kann also begriffen werden als sprachwissenschaftliche Perspektive, unter der die langage betrachtet wird.

Langue hat eine soziale und eine individuelle Dimension: In ihrer sozialen Dimension (fait social) ist langue eine intersubjektiv geltende gesellschaftliche Institution, ein sozial erzeugtes und in den Köpfen der Sprecher aufgehobenes, konventionelles System sprachlicher Gewohnheiten. In ihrer individuellen Dimension ist sie mentales „depôt“, bzw. „magasin“ (etwa: Warenlager) einer subjektiv internalisierten Einzelsprache (also sozusagen die subjektive Fassung der langue).

Auch der Begriff der parole hat eine soziale und eine individuelle Seite. Er meint einmal den konkreten Sprechakt, also die individuelle Realisierung der langue durch den je einzelnen Sprecher (hic et nunc) gebundene, raum-zeitliche Realisierung des Systems. Zugleich ist die parole aber in ihrer sozialen Dimension der Ort der dialogischen Hervorbringung neuen sprachlichen Sinnes, also der Ort der Genesis und Veränderung der langue.

Langue und parole stehen also in einem komplexen Verhältnis der wechselseitigen Bedingtheit: Auf der einen Seite gibt es nichts in der langue, das nicht durch die parole zuvor in sie gelangt wäre. Andererseits ist die parole nur möglich aufgrund jenes sozialen Produktes, das langue heißt.

Die parole kann unmittelbar beobachtet werden, die langue hingegen nicht. Nur im Nachhinein kann auf sie geschlossen werden, wenn man den Entstehensprozess sprachlicher Zeichen rekonstruiert, also die Artikulation. Sie ist zu verstehen als theoretischer Aspekt des menschlichen Sprachvermögens, der langage.“

Signifikant, Signifikat

„Sprachliche Zeichen sind Einheiten, mit denen man Bedeutungen verbindet. Einheiten können Laute sein, aber auch anders dargestellt werden. Im Zuge der parole können die Sprecher sie gemeinsam mit anderen sprachlichen Formen zu verstehbaren sprachlichen Ausdrücken zusammensetzen. Das sprachliche Zeichen („signe linguistique“, „sème“) ist folglich eine komplexe mentale und physiologische Einheit, die im Vorgang der Artikulation erzeugt wird.“

Im Cours de Linguistique générale findet der Begriff des signe (‚Zeichen‘) Verwendung.
Es werden die mentale und lautliche Seite sprachlicher Zeichen als Signifikat („signifié“ = Bezeichnetes, Zeicheninhalt) und Signifikant („signifiant“ = Bezeichnendes, Bezeichnung, äußere Zeichenform) unterschieden.

Saussure selber gab diese Begrifflichkeit auf.
„Der Begriff des signe erscheint ihm in theoretischer Hinsicht vorbelastet, da er von der weit verbreiteten (etwa junggrammatischen, s. Junggrammatiker) Konzeption eines binär gefassten Zeichens nicht mehr abzulösen ist. Ein binärer Zeichenbegriff fasst die gedankliche und die lautliche Seite als je autonome, auch unabhängig voneinander denkbare Zeichenteile auf.
Von dieser Konzeption rückt Saussure zugunsten eines synthetischen Zeichenbegriffs ab. Er prägt für das Ganze des Zeichens den Begriff des Sème, für die lautliche Hülle des Sème den des Aposème sowie den des Parasème für den mentalen Zeichenaspekt. Der Begriff des Sème bedeutet dabei stets das „Ganze des Zeichens, Zeichen und Bedeutung in einer Art Persönlichkeit vereint“ und soll die Vorherrschaft entweder der lautlichen (etwa bei den Junggrammatikern) oder der gedanklichen Seite (vgl. etwa die spätere Theorie Chomskys) beseitigen.“

„Sprache bildet nicht Gedanken ab. Sie erschafft sie vielmehr: Erst im Akt des Sprechens, der Artikulation, vollzieht sich die Verbindung (Synthese) eines vorsprachlichen und daher chaotischen und gleichsam spurlos vorüberziehenden Denkens mit der lautlichen Substanz. Dieser Vorgang vollzieht sich in der Zeit, also linear: Worte werden nacheinander geäußert. Der Prozess der Artikulation (zer-)gliedert so den Strom der Gedanken und erschafft dergestalt allererst den Ausdruck als Ausdruck eines Gedankens und damit auch den Gedanken als identifizierbare Einheit, auf die sprachlich Bezug genommen werden kann. Erst der Akt der Artikulation, die Entäußerung verleiht so dem Gedanken jene Identität und Unterscheidbarkeit, die es erlaubt, ihn als ein dem Prozess der Zeichensynthese vermeintlich vorausliegendes Inneres anzunehmen.
Lautlicher und gedanklicher Aspekt des Zeichens lassen sich so immer nur im Nachhinein ihrer Entstehung, der Zeichensynthese, unterscheiden. Das dort erzeugte Ganze des Zeichens, das Sème ist notwendige Bedingung seiner beiden Seiten.“

Zeichen / Bedeutung:

„Bedeutung ist – wie oben dargestellt – für Saussure nichts der Zeichensynthese logisch Vorausgehendes, sondern wird konkret im sozialen Austausch, in der Zeichensynthese erzeugt. Welche Bedeutung einem Zeichen zukommt, verdankt sie dabei nicht etwa einer wie auch immer gearteten inneren Verbindung zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Es gibt keine im Zeichen selbst liegende Qualität, die eine bestimmte Bedeutung rechtfertigen könnte. Dieses von Saussure sogenannte Prinzip der Arbitrarität sprachlicher Zeichen wird im Deutschen unglücklich mit Beliebigkeit bzw. Willkür übersetzt. Das Arbitraritätsprinzip meint aber gerade nicht eine freie Wählbarkeit des Zeichens im Hinblick auf eine bestimmte bezeichnende Funktion. Gemeint ist die Freiheit des Zeichens, das durch keine in ihm selbst liegende und der Zeichensynthese vorausliegende Eigenschaft an eine bestimmte Bedeutung gebunden ist. Dies lässt sich sowohl an dem Umstand ablesen, dass verschiedene Sprachen verschiedene Zeichen für gleiche Bedeutungen verwenden, als auch daran, dass sich die Bedeutung von Zeichen mit der Zeit verändert.

Bedeutung ist keine (ontologische) Eigenschaft von Zeichen, sondern ein Effekt ihrer Verwendung durch die Sprachgemeinschaft, insofern die Parole der ausschließliche Ort der Hervorbringung sprachlichen Sinnes ist. Zugleich verdankt sie sich dem Umstand, dass Sprachzeichen Teile eines Systems (der langue) sind, innerhalb dessen jedes Zeichen von allen anderen Zeichen unterscheidbar ist. Die sprachliche Form gewinnt erst dadurch Bedeutung, dass sie in systematischer Korrelation zu anderen Formen steht. Ein Zeichen wird also in seiner Bedeutung nicht aus sich heraus und damit positiv, sondern durch seine Differenz zu anderen Zeichen bestimmt. Bedeutung kommt mit Saussure „immer von der Seite“, also durch die Opposition zu anderen Zeichen. Er spricht daher von der Wertlosigkeit des – in sich bedeutungslosen – Zeichens an sich („nullité du sème en soi“). Diesen systemischen Aspekt der differenzlogischen Bestimmung von Bedeutung bezeichnet Saussure als valeur, als systemischen Wert des Zeichens.

Voraussetzung dieser Zeichenbestimmung ist neben dem Prinzip der Arbitrarität die bereits angesprochene Linearität der Lautsubstanz, bzw. der Artikulation. Erst das zeitlich differentielle Nacheinander, die Zergliederung des Gedankens in der Artikulation schafft die Voraussetzung für die Abgrenzbarkeit und Unterscheidbarkeit sprachlicher Einheiten. Und damit auch die Voraussetzung für ihre Identifizierbarkeit.“

Kontinuität und Transformation

„Der gleichermaßen individuelle wie soziale Charakter der langue als subjektiver Sprachschatz auf der einen und überindividuelles System sprachlicher Gewohnheiten auf der anderen Seite und ihre Verankerung in der parole als Ort der dialogischen Sinngenese sind es, aus denen die von Saussure bestimmten Prinzipien des Lebens der Sprache in der Zeit resultieren. Diese Prinzipien muten zunächst widersprüchlich an: Charaktereigenschaft der Sprache nämlich ist so sehr ihre Kontinuität in der Zeit, wie ihre fortwährende Transformation. […]
Die Bewegung der Sprache – systemisch gesprochen: die fortwährende Neujustierung des relationalen Systems langue – ist unstillbar und unausgesetzt. Sie wird jedoch in aller Regel von den Sprechern nicht wahrgenommen. Das Wesen der Sprache ist daher – mit einem Wort des Sprachwissenschaftlers Christian Stetters – das der Fluktuanz: das einer „nicht seienden sondern beständig werdenden und insofern sich kontinuierlich verändernden Substanz.““

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_de_Saussure [27.3.2015]

Redaktion: CD, 27.3.2015