Oskar Rie - Chronologie

Oskar Rie wurde am 8. Dezember 1863 in Wien, als zweitälteste von fünf Brüdern, jüdischer Eltern, geboren. Der Vater (Israel) Isidor Rie war ein Edelsteinhändler aus Prag, von seiner Mutter wird in keiner Biographie berichtet.
1881 maturierte Oskar Rie am Akademischen Gymnasium in Wien.
Im März 1887 promovierte er als Doktor der gesamten Heilkunde.
Zusammen mit seinem ältesten Bruder Alfred war er ein Tarockpartner von Sigmund Freud und ihm ein guter Freund.
Er besuchte dessen Vorlesungen schon 1886/87 an der Wiener Universität.
1891 verfassten sie die gemeinsame Arbeit „Klinische Studie über die halbseitige Cerebrallähmung des Kindes“.
Er war Sigmund Freuds Assistent am Kassowitz-Institut, dem 1. öffentlichen Kinder-Krankeninstitut in Wien, arbeitete als Sekundararzt im AKH und war bis 1890 im Carolinen Kinderspital tätig.
Rie eröffnete eine Privatpraxis als Pädiater und war Kinderarzt der Familie Freud. Freud besprach mit ihm auch die Fortschritte seiner Kinder.
1986 heiratete Oskar Rie Melanie Bondy, die Schwester von Ida Fließ-Bondy und eine der ersten Patientinnen von Wilhelm Fließ.
Oskar und Melanie Rie hatten zwei Töchter: Margarethe besuchte das Gymnasium und wurde später Schauspielerin, während ihre jüngere Schwester Marianne das Lycée besuchte. Nachdem sie aber beschlossen hatte, Medizin zu studieren, bekam sie Privatunterricht, um den Stoff des Gymnasiums nachzuholen. Freud analysierte beide Töchter von Oskar Rie.
Beide Töchter heirateten Analytiker: Margarethe Rie heiratete Herman Nunberg. Marianne Rie, die selbst Analytikerin wurde, heiratete Ernst Kris.

Freud gab Oskar Rie Auszüge aus der Traumdeutung zu lesen, wie er  (1985c [1887-1904]) an Wilhelm Fließ im Oktober 1899 schreibt:
4.10.1899: „Dein Schwager, dem ich auf Verlangen einige Bogen gegeben, hat die Reihe der Kritiker eröffnet.“ (414)
11. 10. 1899: „Oscar beginnt sich zu begeistern.“ (417)
27.10.1899: „Gestern abends war ich nach langer Zeit wieder einmal bei Oscar und Melanie.  […] Oscar hat mir Einwendungen gegen die Hamlet-Auffassung nach einem Theaterabend entstanden, angekündigt.“ (418)

7. 10. 1908 Oskar Rie wurde auf Vorschlag von Sigmund Freud einstimmig in die WPV aufgenommen. Im November desselben Jahres hielt er ein Referat über Molls Buch „Das Sexualleben des Kindes“.
Er blieb bis zu seinem Tod Mitglied der WPV, war allerdings nie aktiver Teilnehmer bei den Diskussionen und hatte auch keine Funktion inne.
Rie war einer der wenigen, mit denen sich Freud geduzt hatte und einer seiner ältesten und nächsten Freunde.

1910 wurde Rie Ordinarius des 1. Öffentlichen Kinder-Kranken-Ordinationsinstitutes in Wien.
Anna Freud Verbrachte sowohl in Sommer 1919, als auch den Sommer im folgenden Jahr bei der Familie Rie.
Im Jahr 1922 wurde Oskar Rie zum Stellvertreter in der Wiener Ärztekammer ernannt.

Am 17.9.1931 starb Oskar Rie in Wien.

Oskar Rie in Freuds Traum von Irmas Injektion:
Oskar Rie ist „ einer meiner nächsten Freunde“, der jüngere Kollege „Otto“ in Freuds Traum von Irmas Injektion.
„Eines Tages besuchte mich ein jüngerer Kollege, einer meiner nächsten Freunde, der die Patientin — Irma — und ihre Familie in ihrem Landaufenthalt besucht hatte. Ich fragte ihn, wie er sie gefunden habe, und bekam die Antwort: Es geht ihr besser, aber nicht ganz gut. Ich weiß, daß mich die Worte meines Freundes Otto oder der Ton, in dem sie gesprochen waren, ärgerten. Ich glaubte einen Vorwurf herauszuhören, etwa daß ich der Patientin zu viel versprochen hätte, und führte — ob mit Recht oder Unrecht — die vermeintliche Parteinahme Ottos gegen mich auf den Einfluß von Angehörigen der Kranken zurück, die, wie ich annahm, meine Behandlung nie gerne gesehen hatten. Übrigens wurde mir meine peinliche Empfindung nicht klar, ich gab ihr auch keinen Ausdruck. Am selben Abend schrieb ich noch die Krankengeschichte Irmas nieder, um sie, wie zu meiner Rechtfertigung, dem Dr. M., einem gemeinsamen Freunde, der damals tonangebenden Persönlichkeit in unserem Kreise, zu übergeben. In der auf diesen Abend folgenden Nacht (wohl eher am Morgen) hatte ich den nachstehenden Traum, der unmittelbar nach dem Erwachen fixiert wurde.“ (Freud, Sigmund, 1900a, GW II/III, 11)

Sabine Zaufarek, 2008
Redaktion: CD, 3.6.2010