Georges Gilles de la Tourette - Chronologie

Geboren am  30. Oktober 1857 in Saint Gervais les Trois Clochers bei Loudun.
Sein vollständiger Name lautete Georges Albert Édouard Brutus Gilles de la Tourette.

Schon als Sechzehnjähriger begann Tourette das Studium der Medizin in Poitiers und beendete es 1885 in Paris. Er wurde Charcot’s Schüler, Mitarbeiter, Protege und schließlich 1887  „chef de clinique“ an der Salpetriere.
Tourette beschäftigte sich intensiv mit Hypnose und Sigmund Freud besuchte während seiner Zeit in Paris bei Charcot seine Vorlesungen.

Tourette erbrachte fundamentale Beiträge zur Hysterie und medizinrechtlichen Aspekten der Hypnose.
Er kritisierte den dänischen Hypnotiseur Hansen (1887, 440):

„Sein geübtes Auge wählt unter diesen Unglücklichen die bleichen Jünglinge, die Anämischen, kurz gesagt die Nervenkranken. Er läßt sie im Kreis laufen, reibt sich mit Worten und Gebärden an, bis sie am Ende ihrer Kräfte sind; dann hält er sie an und reißt ihnen brüsk den Kopf herum, fixiert sie mit einem Mal und versetzt sie in Hypnose. Das ist Hansens >coup<.“

1884 begann er eine Studie an neun Patienten mit kompulsiven Tics, über das heute nach ihm benannte Tourette-Syndrom.
Gilles de la Tourette: Étude sur une affection nerveuse caractérisée par de l’incoordination motrice accompagnée d’écholalie et de coprolalie (Jumping, Latah, Myriachit). Arch Neurol (Paris), 1885; 9: 158-200

„Es ist den sensiblen und differenzierten Beobachtungen des französischen Neurologen Dr. Gilles de la Tourette zu verdanken und seinem besonderen Interesse für Menschen mit Tic-Erkrankungen, dass im Januar 1885 diese Studie über 9 Fälle (Observations I - IX) zusammen mit einer Reihe von anderen neurologischen Themen verschiedener Autoren im 9. Band der „Revue des maladies nerveuses et mentales“ im „Archives de Neurologie“ publiziert werden konnte.
Die 9 Fallbeschreibungen (Seiten 24-42 und 158-161), die Anmerkungen von Dr. Tourette in der Einleitung und in den Nachbetrachtungen machen deutlich, dass es in jener Zeit erhebliche Schwierigkeiten bei der exakten diagnostischen Zuordnung von neurologischen Erkrankungen gab, deren Hauptsymptomatik motorische Koordinationsstörungen waren. Vielfach bestand die Tendenz, den größeren Teil der Störungen dieser Art unter dem Sammelbegriff „Chorea“ (gr. choreia: Reigen, Tanz) zusammenzufassen, auch wenn sie nur mit einigen Symptomen Parallelen zur Chorea aufzeigten. […]
Dr. Georges Gilles de la Tourette beginnt seine Studie (Observation I) in der „Revue des maladies nerveuses et mentales“ mit einer Fallbeschreibung von ITARD aus dem Jahre 1825, die bereits in „Mémoire sur quelques fonctions involontaires des appareils de la locomotion, de la préhension et de la voix“ (Bericht über einige unwillkürliche Funktionen des Bewegungsapparats, des Zugreifens sowie der Stimme - Archives générales de la médecine, t. VIII, Observation X, p. 403-405) [1825] veröffentlicht wurde.“
(Hermann Krämer, Vorwort zum Reprint der Originalstudie, http://www.tourette-gesellschaft.de/rbk2/017b_uebersetzungoriginalstudie...)

1885 wurde Tourette auch Assistenzarzt von Brouardel und auf Dauer Lehrbeauftragter für den Kurs in forensischer Medizin.
Er war aber auch wissenschaftlicher Korrespondent und Literaturkritiker bei der literarischen Wochenzeitschrift »La Revue Hébdomadaire«.

„His interests were not limited to medicine, but included history and literature, as shown by works on Théophraste Renaudot and theatre. When addressing hypnotism and hysteria, he also studied ancient historic reports, such as the cases of the „possessed nuns“ at Loudun in 1634
(Légué D, Gilles de la Tourette G : Sœur Jeanne des Anges : Autobiographie d’une hystérique possédée, d’après le manuscrit inédit de la bibliothèque de Tours. Paris, Bourneville, 1886).
In 1888, he founded the Nouvelle Iconographie de la Salpêtrière with Albert Londe and Richer, and in 1900, with the help of Bourneville, he was appointed chief physician of the Exposition Universelle.“
(http://baillement.com/recherche/gdt/criminal_hypnotism.html)

1893 starb sein Sohn an den Folgen einer Hinrhautentzündung.
Und sein Lehrer und Jean Martin Charcot.

Rose Kamper schießt auf Gilles de la Tourette.
1893 wurde Gilles de la Tourette in seiner Wohnung Rue de l’Université 39 von einer seiner ehemaligen Patientinnen aus der Salpêtrière angeschossen, die behauptete, gegen ihren Willen von ihm hypnotisiert und dadurch geistig krankg geworden zu sein. Er erlitt einen Fleischwunde am Hinterkopf. die wieder heilte.

»Am frühen Abend des 6. Dezember 1893 betrat eine schwarz gekleidete junge Frau den Vorhof des Hauses in der Rue de l’Université 39, dem Amtssitz von Charles Risler, seines Zeichens Major des 7. Arrondissements, und läutete die Türklingel der Wohnung von Dr. Tourette, die sich im Erdgeschoss befand. Der Kammerdiener des Arztes öffnete ihr und unterrichtete sie darüber, daß Dr. Tourette außer Haus sei. Sie gab an auf ihn warten zu wollen. Nach einer Viertelstunde kehrte Gilles vom Hospital Cochin zurück, wo er sich einen Patienten angeschaut hatte, und wurde sodann informiert, daß eine Frau auf ihn warte, die ihn sehen und, sprechen wolle.
Sobald sie Dr. Tourette erblickte, erhob sie sich von ihrem Stuhl und folgte ihm in sein Behandlungszimmer. Dort zeigte sie ihm ein Blatt Papier mit drei Namen »Rochas, Luys und Charcot« und bettelte ihn um 50 Francs an mit der Beteuerung, daß die Ärzte in der Salpêtrière sie in den Ruin getrieben hätten. Gilles de la Tourette realisierte, daß er eine kranke Frau vor sich hatte, lehnte höflich ab, bot ihr aber an, sie für eine Behandlung unter seiner Aufsicht zuzulassen.
Nach ihrer Verhaftung ergaben die polizeilichen Ermittlungen, daß es sich um Rose Kamper, geb. Lecoq handelte. Sie war 30 Jahre alt und in Poissy geboren. Im Jahr 1889 war sie von ihrem Mann, einem Schweizer Frisör, geschieden worden. Rose Kamper war bereits mindestens zwei Jahre vor dem »Überfall« auf Gilles krank gewesen.“
(Dr. A. J. Lees »Georges Gilles de la Tourette - The Man and his Times« Rev. Neurol. Paris 1986)

Hypnotism and crime
1894 Ernennung zum Professeur Agrégé (Außerordentlichen Professor) für Rechtsmedizin.

„The medical-legal interest of Gilles de la Tourette had developed under his training with Brouardel (who authored with Charcot the preface of his pupil’s 1887 book on medical-legal aspects of hypnotism) (Gilles de la Tourette G : L’hypnotisme et le états analogues du point de vue médico-légal. Paris, Librairie Plon, 1887) were not limited to hysteria and hypnotism, but also included topics such as abortion and political murder (he made a report on the anarchist murderer Ravachol) (2). Besides, he made an important statement on the necessity to admit mentally disturbed criminals to asylums rather than to prison. In this field, his friendship with the journalist and writer Georges Montorgueil was important in facilitating public awareness, as shown in 1894 with Dr. Lafitte case, when Gilles de la Tourette and his friend the journalist Georges Montorgueil supported in the newspaper L’Éclair the practitioner who had been accused of illegal abortion on a young woman (2). „
(http://baillement.com/recherche/gdt/criminal_hypnotism.html)

In Folge wahrscheinlich einer luetischen Infektion litt Torurette unter Stimmungsschwankungen.
1901 wurde er arbeitsunfähig, kehrte in die Schweiz zurück und verstarb an Neurosphyhillis in einer Klinik bei Lausanne am  22. Mai 1904.

„During the last months of the century, he started to show a disturbed behaviour (fig. 3), which worsened and necessitated that he left Paris for Switzerland with his family and Charcot’s son Jean-Baptiste, who had him admitted on 28 May, 1901, to the Lausanne psychiatric hospital in Cery, using a deceiving trick (Jean-Baptiste told him that a famous patient was waiting in Cery to be examined by him). He was never to leave this hospital, being deprived of all his civil rights in 1902, before he died on 22 May, 1904. Diagnosis was tertiary syphilis, with general paresis, ironically a disease for which he had claimed, along with Charcot, that no relationship existed with syphilis.“
(http://baillement.com/recherche/gdt/criminal_hypnotism.html)

Text: Christine Diercks, 2011