Horst-Eberhard Richter: Chronologie

Am 28.4.1923 in Berlin geboren, als Einzelkind aufgewachsen, sein Vater war ein erfolgreicher Ingenieur.
Nach Hitlerjugend und Arbeitsdienst 1941 zur Wehrmacht einberufen, 1942 Artilleriesoldat in Russland, vor seiner geplanten Verlegung nach Stalingrad an Diphtherie lebensgefährlich erkrankt.
1945 desertiert er und geriet einige Monate in französischer Kriegsgefangenschaft in Innsbruck.
Seine Eltern wurden zwei Monate vor Kriegsende von betrunkenen russischen Soldaten erschossen.

1945-1949 Studium der Medizin, Psychologie und Philosophie in Berlin.
1949 Promotion zum Doktor der Philosophie mit einer Doktorarbeit über die philosophische Dimension des Schmerzes.
1957 Promotion zum Doktor der Medizin.
1950-1954 psychoanalytische Ausbildung im Berliner Psychoanalytischen Institut der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung.
1952 -1962 Leiter einer Berliner Beratungsstelle für seelisch kranke Kinder und Jugendliche.
1959-1962 Leiter des Berliner Psychoanalytischen Instituts.
1962 Berufung auf den zweiten deutschen Lehrstuhl für Psychosomatik in Gießen, geschäftsführender Direktor des Zentrums für Psychosomatische Medizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
1963 erschien „Eltern, Kind und Neurose“, das als Habiliitationsschrift abgelehnt zu einem Grundlagenwerk psychoanalytische orientierter Familientherapie wurde.1963 Mitbegründer und bis 1970 Leiter des psychoanalytischen Ausbildungsinstituts der DPV in Gießen.
1964-1968 Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV).
1970 erschien „Patient und Familie“.

„Als Richter 1970 sein zweites grundlegendes Buch zur psychoanalytischen Familientherapie Patient Familie. Entstehung, Struktur und Therapie von Konflikten in Ehe und Familie veröffentlicht, ist er bereits ein bekannter Autor und die psychoanalytische Familientherapie, als deren Nestor er in Deutschland gelten kann, befindet sich auf dem besten Wege, ein einflussreiches psychotherapeutisches Konzept zu werden.“ (Hans-Jürgen Wirth, haGalil, 1/2012).

In den 1970er und 8oer Jahren Publikationen zur Psychosomatik, Psychiatriereform, Verstrickung der Elterngeneration in den Nationalsozialismus.
Ab den 1980er Jahren wurde er einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Friedensbewegung und war 1981 einer der Mitgründer der westdeutschen Sektion der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW).
Ab 1988 führte Horst-Eberhard Richter psychoanalytisch geprägten Gesprächen mit bekannten internationalen Politikern.

1992-2002 Leiter des Sigmund Freud Instituts in Frankfurt.

Am 19. Dezember 2011 verstarb Horst-Eberhard Richter in Gießen.

 

Hans-Jürgen Wirth zu Horst-Eberhard Richter:

Die erinnernde Bearbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit stellt das zentrale Motiv für Richters politisches Engagement dar. Schon mit Eltern, Kind und Neurose hatte Richter ein theoretisches Konzept formuliert, mit dem die unbewussten Verstrickungen der Generationen, die transgenerationale Weitergabe von Traumata und von unbewussten Konflikten, psychoanalytisch verstanden werden konnte. Der Begriff der transgenerationale Weitergabe von Traumata sollte erst viele Jahre später von der Holocaustforschung geprägt werden, aber die zugrundeliegende Psycho- und Beziehungsdynamik wird von Richter bereits Anfang der 60er Jahre konzeptuell begriffen“. (Hans-Jürgen Wirth, haGalil, 1/2012).

„Durch seine zahllosen Bücher, Artikel, Vorträge und Interviews trägt Richter maßgeblich dazu bei, dass diese zukunftsweisenden Experimente keine Einzelerscheinungen bleiben. Dank seiner Funktion als Vermittler, Botschafter, Interpret und kritischer Begleiter der »Neuen Sozialen Bewegungen« – zu denen die Frauen-, die Ökologie- und die Friedensbewegung gehören – werden sie zu Vorläufern einer Bewusstseinsveränderung, die unsere Gesellschaft erheblich geprägt hat.“ (Hans-Jürgen Wirth, haGalil, 1/2012).

„Bereits ab 1980 engagiert sich Richter in der Friedensbewegung und ist 1981 einer der maßgeblichen Gründer der westdeutschen Sektion der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW). Er beeinflusst die politische und inhaltliche Orientierung der bundesdeutschen IPPNW von Anfang an in Richtung Basisdemokratie und eines kollegialen Miteinanders. Das Engagement in der Friedensbewegung gewinnt immer größeres Gewicht in Richters Leben. Er verfasst die berühmte »Frankfurter Erklärung«, in der jeder Unterzeichner sich mit seiner Unterschrift dazu bekennt, sich jeglicher kriegsmedizinischen Schulung und Fortbildung zu verweigern.“ (Hans-Jürgen Wirth, haGalil, 1/2012).

„Horst-Eberhard Richter war nicht nur der Mahner, der gesellschaftliche Missstände anprangert, sondern auch der Verkünder des Prinzips Hoffnung, der konkrete Modelle entwirft, wie etwas zum Besseren gewendet werden kann. Es ist diese besondere Kombination von mahnender Kritik und hoffnungsvollem Optimismus, die seinen Botschaften bei so vielen Menschen so große Resonanz beschert hat.“ (Hans-Jürgen Wirth, haGalil, 1/2012).

Auszeichnungen (Auswahl):
1970 Forschungspreis der Schweizer Gesellschaft für Psychosomatische Medizin.
1980 Theodor-Heuss-Preis für seine maßgebliche Beteiligung an der Reform der deutschen Psychiatrie und Sozialpsychiatrie.
1985 Friedensnobelpreis für Ärzte gegen den Atomkrieg.
1990 Pädagogischer Ehrenpreis der Stadt Bornheim.
1893 Urania-Medaille für herausragende Wissenschaftler.
2000 Der Jüdische Nationalfonds pflanzte in Anerkennung seines Lebenswerkes zehn Bäume in Israel.
2001 Deutscher Fairness Preis.
2002 Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main für seine „konsequent pazifistische Grundhaltung“.
2003 Gandhi-Luther King-Ikeda Award des Morehouse College, Atlanta, USA
2007 Ehrenmedaille des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen.
2007 Ehrenbürgerschaft der Universitätsstadt Gießen
2008 Paracelsus-Medaille für herausragende Verdienste um das deutsche Gesundheitswesen und die Ärzteschaft.
2010: Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte
Das Bundesverdienstkreuz lehnte Horst-Eberhad Richter ab, weil es „zu viele Ex-Nazis“ bereits erhalten hätten.

 

Sekundärliteratur, Quellen:
Kaufhold, Roland (2012): Ein unermüdlicher Mahner und Menschenfreund. Zum Tode von Horst-Eberhard Richter, Kinderanalyse 20 (2), 2012, S. 136-142.
Wirth, Hans-Jürgen (2012): Psychotherapeut der Nation. Zum Tod von Horst-Eberhard Richter, psychosozial 35 Jg. (2012), Heft I (Nr. 127), S. 7-15.
Wirth, Hans-Jürgen; Jürgen Hardt (2012): Horst-Eberhard Richter: Arzt, Philosoph, Psychoanalytiker, Sozialtherapeut und ein „Wegbereiter“ des Psychotherapeutengesetzes. Psychotherapeutenjournal, 11. Jg., 1/2012, 18-23

Links, Quellen:
http://www.hagalil.com/archiv/2012/01/04/richter/ (Hans Jürgen Wirth, 4.1.2012)
http://www.zeitzeugen-tv.com/dossier/person/6054/richter_horst-eberhard....
http://www.ippnw.de/der-verein/geschichte-der-ippnw/persoenlichkeiten/ar...
http://www.hagalil.com/archiv/2012/01/04/richter/

 

Erstellt von Roland Kaufhold, 20.8.2012
Redaktion CD, 26.8.2012