Robert Hans Jokl: Biografische Skizze im Kontext des Erwerbs seines Nachlasses

Robert Hans Jokl (1890-1975):

Robert Hans Jokl war das einzige Mitglied der „alten“ Vereinigung, das mit der Absicht zu bleiben, aus der Emigration nach Wien zurückgekommen ist. 

Jokl war Mediziner. Während des Ersten Weltkriegs war er als Arzt in der Österreichisch-Ungarischen Armee, zunächst an der Ostfront, dann in Italien, wo er gefangen genommen worden ist und ein Jahr als Kriegsgefangener in Monte Cassino verbracht hat. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft ging er nach Wien und absolvierte seine psychiatrische Ausbildung unter Wagner-Jauregg und Pötzl. 1919 lernte er Freud kennen, der ihn für zweieinhalb Monate in Analyse genommen hat. Anschließend hat er ihn an Eduard Hitschmann überwiesen. Später war er bei Siegfried Bernfeld in Analyse. Jokl gehörte also zu den Analytikern, die sich bereits vor der verpflichtenden Einführung von Lehranalysen einer Analyse unterzogen haben. 

An den Sitzungen der WPV hat Jokl ab November 1919 teilgenommen, am 8. 12. 1920 hat er den „Gastvortrag“ Zur Psychogenese des Schreibkrampfes gehalten, Mitglied der WPV wurde er im Herbst 1921. Jokl hat bereits im Rahmen der allerersten Lehrveranstaltungen des Ambulatoriums der Vereinigung Vorträge gehalten. Von 1925 bis 1932 war er Schriftführer der WPV und 1927 Mitglied ihres Propagandakomitees. Neben seiner Privatpraxis war er bei einigen Versicherungsgesellschaften angestellt. Er war Facharzt beim Jugendgericht und er betrieb medizinische Forschungen am Lainzer Spital. Unter seinen Lehranalysanden finden sich Grete Bibring, Otto Isakower, Otto Sperling, Jenny Wälder Hall und Robert Wälder.

Anfang 1938 ist Jokl ist zusammen mit seiner zweiten Frau nach Frankreich emigriert. Im Sommer 1942 wurden sie ins Lager Les Milles bei Marseille interniert, vom September 1942 bis zum November in das Lager Noe bei Toulouse. Von dort wurden sie in das Lager Masseube im Departement Gars transportiert, wo sie auch noch nach ihrer Befreiung bis zu Jokl Abreise nach Wien im Mai 1946 geblieben sind. Jokl war im Lagerlazarett als Lazarett-Chef beschäftigt und hat seinen Dienst nach der Befreiung freiwillig fortgesetzt. 

Im Juni 1946 schreibt Aichhorn an Anna Freud: „[…] Dr. Jokl, der von Frankreich nach Wien zurückkehrte, war bereits 3 Wochen in Wien, bevor er sich bei mir meldete. Er wußte nicht, daß wir existieren und las zufällig unsere Kursankündigung in der Zeitung. Er ist völlig mittellos, ich borgte ihm 1000,-Schilling. Er ist sehr gealtert. […] Wie er sich einleben wird?“

Aichhorn bestätigt in einem Schreiben dass Jokl seit seiner Rückkehr aus dem Exil als Obmann des Lehrausschusses – in seinen Arbeitsbereich fielen Lehranalysen, Kontrollanalysen und die theoretische Ausbildung der Ausbildungskandidaten und der Mitglieder – außerordentlich erfolgreich mitgearbeitet hat. Wie die Psychoanalyse ausgesehen hat, die Jokl in Wien vertreten hat, wird an einem Vortrag deutlich, den er im Juni 1947 im „Institut für Wissenschaft und Kunst“ gehalten hat. Es ist eine der Biologie angenäherte Sichtweise von Psychoanalyse und er vertritt eine Haltung, die in etwa der so genannten amerikanischen Ich-Psychologie entspricht, wie sie – was er damals nicht wissen konnte – etwa zur gleichen Zeit von Hartmann, Kris und Löwenstein entwickelt worden war.  

Jokl konnte sich in Wien nicht mehr einleben. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte eine heftige Ehekrise gewesen sein. Magda Jokl war in Frankreich zurückgeblieben und weigerte sich, zu ihrem Mann nach Wien zu kommen. Dazu sind noch die damals schwierigen und mühevollen Lebensverhältnisse gekommen, mit denen er allein fertig werden musste. In sehr ausführlichen und bewegenden Briefen an seine Frau schilderte er seine missliche Lage. 

Bald nach seiner Ankunft in Wien hat Jokl begonnen, sich bei seinen ehemaligen, jetzt in den USA lebenden Schülern, nach Arbeitsmöglichkeiten dort zu erkundigen. Im September 1947 schreibt  er an Karl Menninger, den Leiter der Menninger Klinik in Topeka, Kansas. Er hatte erfahren, dass Menninger auf der Suche nach einem Psychoanalytiker war und hat sich um eine Anstellung bei ihm beworben. Die Verhandlungen sind offenbar günstig verlaufen und Magda Jokl hatte sich aus Gründen, die aus den erhaltenen Briefen nicht hervorgehen, entschlossen mit ihm nach Topeka zu gehen. Der Arbeitsvertrag mit der Menninger Foundation ist mit dem 6. 2. 1948 datiert.

Jokl blieb bis 1952 als Lehrer für Psychoanalyse an der Menninger Klinik. Seinen Briefen ist zu entnehmen, dass er sich im kleinstädtischen, abgelegenen Topeka und in der Enge der Klinik, deren Atmosphäre ihm wegen kleinlicher Differenzen und Eifersüchteleien und einer bedrückenden Abhängigkeit von Menninger verleidet war, zunehmend unwohler gefühlt hat und bemüht war, einen anderen Wirkungskreis zu finden. Jokl war schwer enttäuscht, dass er die Stelle des Institutsdirektors, auf die er gehofft hatte, nicht bekommen hat. Diese Enttäuschung war der Grund, warum er sich endgültig dazu entschlossen hat, Topeka zu verlassen. Otto Fleischmann hatte ebenfalls versucht den Posten als Direktor zu bekommen. Die Auseinandersetzung zwischen Jokl und Fleischmann ist nicht zuletzt deswegen interessant, weil sie Jokl zum Anlass genommen hat, ausführlich darüber zu schreiben, wie er Fleischmann gesehen hat. Mit dem Einblick in die komplizierten Beziehungen und Animositäten zwischen den Analytikern der Wiener Vereinigung, den Jokls Briefe geben, können manche Ereignisse in Wien besser als bisher verstanden werden. 

Jokl hat im Sommer 1952 Topeka verlassen. Er war anschließend in Los Angeles als Lehranalytiker und in seiner privaten Praxis tätig. 1974 ging er in den Ruhestand, 1975 ist er in Los Angeles gestorben. 

Der zum Kauf angebotene Nachlass Jokls ist zurzeit im Besitz der Töchter von Paul Bergmann. Paul Bergmann war ein aus Wien emigrierter Psychoanalytiker, der zusammen mit Jokl an der Menninger Klinik in Topeka gearbeitet hat. Dort ist eine lebenslange Freundschaft zwischen den Töchtern Bergmanns und Jokls Frau entstanden. Jokls Frau, Magda Jokl, hat die Dokumente den Töchtern vor ihrer Übersiedlung in ein Altersheim überlassen, wo sie, von den Bergmann-Töchtern betreut, lebt. Der Erlös, der Kaufpreis müsste mit etwa 5.000.- Euro veranschlagt werden, würde für ihre Betreuung verwendet werden.

Im Nachlass finden sich Jokls Personaldokumenten, Dokumenten zu seiner Emigration in Frankreich, aus den zitierten Briefen aus seiner Wiener Zeit nach 1946 (es handelt sich dabei um Briefe an seine Frau, an seine in den USA lebenden Schüler und an Menninger), seinen Vortrag im Juni 1947, Briefen aus Topeka und Los Angeles und den Nachrufen.  

Autor: Thomas Aichhorn

Ergänzung CD: Der Nachlass wurde von der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung erworben.