Max Eitingon: Laudatio für Hanns Sachs zu seinem 50. Geburtstag

Max Eitingon: Laudatio für Hanns Sachs zu seinem 50. Geburtstag.

„Dr. Hanns Sachs 50 Jahre.
Wir Analytiker haben gewiß viele der Mängel, die Menschenwesen anhaften können; unsere Mängel rühren nicht zum kleinsten Teil daher, daß wir einem Gruppengebilde angehören, das unter besonders schwierigen soziologischen Bedingungen sich entwickel hat und seither unter noch nicht ganz veränderten Bedingungen weiter existiert. Dieser Umstände, wie auch einiger anderer in dieser Richtung gehender Dinge, uns durchaus bewußt, müssen wir andererseits aber auch betonen, daß wir der Tugenden nicht ganz entbehren, darunter besonders der der Anerkennung und Dankbarkeit für ältere Brüder, die früher auf dem Kampffeld aufgetaucht sind, und von denen wir zu kämpfen und vor allem zu wissen gelernt haben.

Ich möchte jetzt auf einen kurz hinweisen, der seit zehn Jahren der Lehrer von vielen unter uns Berlinern gewesen ist, der aber auch weit über Berlin hinaus bekannt und geschätzt ist in der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Es ist Dr. Hanns Sachs, der vor einigen Tagen 50 Jahre alt geworden ist. Ich möchte ihm im Namen der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft und im Namen unserer Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung Glück wünschen, und wir werden ihm da hoffentlich etwas wünschen, wozu der Kluge und Skeptische viel Talent hat. Er hat überhaupt viel Talent, unser Hanns Sachs. Aber bei dieser Gelegenheit wollen wir ihm vor allem auch danken für das, was er für uns hier getan hat und für unsere Arbeit mit uns, und da haben wir Berliner gerade ihm für sehr vieles zu danken.

Hanns Sachs ist am 10. Jänner 1881 geboren; er hat das Gymnasium besucht. Er soll ein brillanter Schüler gewesen sein.

Sehr charakteristisch ist Sachs’ Verhalten zur Arbeit: er, zu dessen hervorragendsten Eigenschaften es wohl gehört, daß er nicht müssen mag und infolgedessen auch nicht den Arbeitszwang mag, ist einer der stärksten Arbeiter unter uns und macht das so leicht und mühelos, als ob er nichts lieber täte, und in unseren Berliner Lehrveranstaltungen übernimmt er vielseitigst, worum man ihn recht bittet, es unformal, lässig-elegant und mit großem didaktischem Geschick ausführend.

Sachs beendet 1899 das Gymnasium, studiert Jus, wird 1904 Dr. jur. und k. k. Hof- und Gerichtsadvokat, taucht 1909 in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung auf, kommt 1910 bereits in den Vorstand derselben. 1930 sehen wir ihn dann wieder in einem Gruppenvorstand, dafür aber an hervorragender Stelle in unserem eigenen Berliner.

1918 erleidet Sachs einen körperlich gesundheitlichen Zusammenbruch gerade während des V. Internationalen Psychoanalytischen Kongresses in Budapest. Die unter uns, die dort gewesen sind, wissen, daß er während der Kongreßverhandlungen schwer darniederlag an den Folgen einer Lungenblutung. Er übersiedelt in die Schweiz, nach Davos, wo er zum Glück sich recht rasch erholt, lebt dann in Basel und Zürich, wo er mit großem Erfolg zur analytischen Behandlungs- und Lehrtätigkeit übergeht. In dieser letzteren Eigenschaft riefen wir ihn nach Berlin Ende 1920. Diese fruchtbare und verantwortungsvolle Tätigkeit Sachs’ hat das Gesicht der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft mitbestimmt und erstreckt sich auch weit über die Grenzen Berlins hinaus.

Werfen wir rasch einen Blick auf Sachsens wissenschaftlich-literarische Betätigung. Ohne zu denen zu gehören, die besonders viel schreiben, hatte Sachs immer etwas Wesentliches zu sagen, meist Anregendes, oft Bleibendes. 1910 erschienen seine „Soldatenlieder von Kipling“, bald darauf, gemeinsam mit Rank, „Über die Bedeutung der Psychoanalyse für die Geisteswissenschaften“ in der Loewenfeldschen „Sammlung der Grenzfragen“. Ab 1921 die „Elemente der Psychoanalyse“, dann die „Ars amandi psychoanalytica“, dann die „Gemeinsamen Tagträume“, „Bubi, die Lebensgeschichte des Caligula“, die, Sachsens große Vorliebe für die Kaiserepoche der römischen Geschichte zeigend, seine stupende Kenntnis des Materials verrät und die ganze Grazie seines Schreibens. Eine Eisenbahnfahrt Wien–Berlin wird mir immer gern im Gedächtnis bleiben, auf welcher ich einen großen Teil des Manuskripts gelesen habe. Ein jüngst englisch erschienenes Büchlein von Sachs, „Does Capital Punishment exist“ ist mir noch nicht zugänglich gewesen.

Sachs gehörte zu den Anregern der Gründung der „Imago“ und ist seit Beginn derselben einer ihrer Redakteure. Er hat eine große Reihe von Aufsätzen in unseren beiden Zeitschriften veröffentlicht, der wissenschaftlich hervorragendste von ihm ist wohl der „Zur Theorie der Perversionen“; höchst anregend sind seine Analysen literarischer Werke. Es ist so schön an ihm, daß er Shakespeare so gut kennt. Sehr groß ist die Zahl der von Sachs an verschiedensten Stellen in verschiedenst großer Öffentlichkeit gehaltenen Vorträge. Ein großer Freund der neuesten darstellenden Kunst, des Films, hat Sachs mit Abraham zusammen die „Geheimnisse der Seele“ viele, sehr viele Menschen sehen lassen.

Und so wünschen wir denn Hanns Sachs noch gute lange Jahre au jardin d’Epicure, uns allen und unserer Sache zu Nutzen.
Dr. M. Eitingon“ (IZP, XVII, 1931, 283-284)